Bundesligastart:Der Wahnsinn überholt den FC Bayern

Präsident Aufsichtsratsvorsitzender Uli Hoeneß FC Bayern München und Karl Heinz Rummenigge FC Bayern; Hoeneß

Bosse: Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge.

(Foto: imago images / Michael Weber)

Die Münchner haben lange gedacht, dass sie keine Rekord-Einkäufe nötig haben. Nun müssen sie das große Millionen-Spiel doch mitspielen - und geben dabei kein gutes Bild ab.

Kommentar von Martin Schneider

Vor ziemlich genau zwei Jahren taxierte Uli Hoeneß den Preis des Wahnsinns noch auf 100 Millionen Euro. Damals lief der Markt für Fußballer mal wieder heiß, gab es neue Rekorde: Der Spieler Neymar, der jetzt wieder von Paris nach Barcelona will, wechselte von Barcelona nach Paris für die unanständige Summe von 222 Millionen Euro. Und Uli Hoeneß, der Bayern-Präsident, sah eine Gelegenheit, das auszusprechen, was das Volk dachte. Es sei "nicht akzeptabel", einen Spieler für mehr als 100 Millionen Euro zu holen. Bei solchen Transfers mache der FC Bayern nicht mit. Das war 2017.

Man muss wissen, dass der FC Bayern schon immer ein ambivalentes Verhältnis zum Geld hatte. Der Verein besitzt gern viel davon, gibt es aber nicht so gern aus. Der FC Bayern als seriös geführter Klub halte sich aus dem ganz großen Zirkus auf dem Transfermarkt raus, hieß es immer, was aus Bayernsicht so herrlich eindeutig implizierte, dass die Klubs, die mitmachen, ja irgendwie unseriös arbeiten müssen. Die Botschaft war: Soll der Rest mit Geld um sich werfen, sie werden schon sehen, was sie davon haben. Nein, wir hier an der Säbener Straße zahlen nicht mit Petro-Euro, sondern nutzen unser mit eigener Hände Arbeit gefülltes Festgeldkonto. Und vor allem: Wir sind so clever, dass wir die richtig teuren Spieler nicht kaufen müssen. Wir haben auch so Erfolg.

Das klingt nach bajuwarischer Überheblichkeit, funktionierte aber jahrelang tatsächlich genau so. Der FC Bayern entrückte der nationalen Konkurrenz, gewann sieben Meistertitel nacheinander und gehörte in Europa regelmäßig zu den Top vier. Doch wenn an diesem Freitag die 57. Bundesliga-Saison mit dem Auftaktspiel gegen Hertha BSC losgeht, dann ist von dieser erhabenen Haltung nicht mehr viel übrig. Die Zeiten, in denen die Münchner über den Dingen schweben konnten, sind vorbei.

Der Dauermeister scheint mit dem großen Transfer-Zirkus überfordert zu sein

Dieser Transfersommer ist das Eingeständnis des FC Bayern, dass man bei dem vormals verachteten Zirkus eben doch mitmachen muss. Man weiß ja immer noch nicht genau, ob Leroy Sané nun gekommen wäre, wenn er sich nicht das Kreuzband im Knie gerissen hätte, aber sicher ist, dass der FC Bayern bereit war, mehr als 100 Millionen Euro an Manchester City zu zahlen. Für den Verteidiger Lucas Hernandez haben die Münchner schon 80 Millionen hingelegt. Der Wahnsinn hat den FC Bayern ein- und überholt.

Einerseits zeigt das, dass der FC Bayern auch ohne Scheich oder Oligarch im Rücken finanziell in dieser Liga mitspielen kann. Auf der anderen Seite aber eben auch, dass man nicht mehr schlau und schnell genug ist, diese irren Summen zu umgehen.

Jahrelang bildeten Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller in München ein Gerüst "Made in Bavaria" - aus der eigenen Jugend schafft es aber schon lange niemand mehr in die Nähe der Stammelf. Auch die Strategie, einfach die besten Spieler von Borussia Dortmund zu kaufen, funktioniert nicht mehr. Weil der BVB finanziell aufgeholt und die Bayern wohl gemerkt haben, dass eine Liga-Monokultur auch für sie selbst nicht gut ist.

Nein, für den Kreuzbandriss von Sané kann man weder Sportdirektor Hasan Salihamidzic noch Vorstand Karl-Heinz Rummenigge noch Hoeneß die Verantwortung geben, das war schlicht Pech. Aber dass man nach dem Weggang von Arjen Robben, Franck Ribéry und James Rodriguez sowieso noch neben Sané weitere Offensiv-Spieler brauchen würde, wissen sie beim FC Bayern nicht erst seit letzter Woche. Und dass vorm Bundesliga-Start bloß ein Leihgeschäft mit dem 30-jährigen Ivan Perisic und der Transfer des HSV-Spielers Jann-Fiete Arp auf der Sturm-Habenseite stehen - das ist zu wenig.

Vor allem, weil Uli Hoeneß ja alles versuchte, um den schönen Schein zu wahren. In einer Fußball-Talkshow tönte er im Februar: "Wenn Sie wüssten, was wir schon alles sicher haben!" Man weiß nun: Gar nichts hatte der FC Bayern sicher. Es war ein Bluff, um Ruhe reinzubringen und alle glauben zu machen, der FC Bayern hätte die Lage im Griff. Hoeneß hatte sich verzockt. Mal wieder, könnte man anmerken. Wie übrigens auch Salihamidzic, als er in der Winterpause öffentlich verkündete, man wolle Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea "unbedingt verpflichten". Das sei ein Spieler, "der uns gut zu Gesicht stehen wird". Der Spieler kam nicht.

Bis zum 2. September hat der Klub noch Zeit, den bisher fatalen Eindruck zu korrigieren, man sei mit dem großen Transfermarkt überfordert. Borussia Dortmund hat alle seine Zugänge für jeweils deutlich unter 100 Millionen Euro frühzeitig verkündet und als Ziel die Deutsche Meisterschaft ausgerufen - also den FC Bayern offiziell herausgefordert. Als BVB-Boss Hans-Joachim Watzke vor Kurzem auf einem Podium gefragt wurde, warum er dieses Ziel schon direkt nach der abgelaufenen Saison formulierte, sagte er: "Na ja, ich wusste ja zu diesem Zeitpunkt schon, was wir alles sicher haben."

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