Fachkräftemangel:Schwierige Operation

Fachkräftemangel: Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • In den Kliniken der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Universität fehlt Pflegepersonal.
  • Der Engpass lässt sich unter anderem auf sinkende Ausbildungszahlen zurückführen.
  • Der Wohnungsmangel in München erschwert es, Personal aus dem Ausland anzuwerben.

Von Sabine Buchwald

Das Klinikum Großhadern kann von seinen 2300 Betten konstant 100 nicht belegen. Das Klinikum rechts der Isar hatte Anfang des Sommers 1100 "offene" Betten, das heißt belegbare Betten, kann aber aktuell mindestens 40 nicht an Patienten vergeben. Der Grund für die Situation in den Häusern der Ludwig-Maximilians- und der Technischen Universität ist fehlendes Pflegepersonal. "Bevor wir tatsächlich ein Bett sperren, haben wir alle Optionen geprüft, Personal zu bekommen", sagt Silke Großmann, Pflegedirektorin am Rechts der Isar. Aber es sei eben schwierig, Leute zu finden. Und sie ergänzt: "Wir können nicht mit Volldampf Auslandsakquise betreiben, weil wir in München nicht genug Wohnraum für sie haben."

Marcus Huppertz, Pflegedirektor in Großhadern, bestätigt diese Aussage. Der Wohnungsmangel in München sei das große Thema. Großhadern wirbt in Mexiko, auf den Philippinen, in Bosnien und innerhalb der EU vor allem in Italien um Arbeitskräfte. "Wir könnten nahezu jede Vakanz besetzen, wenn wir adäquaten Wohnraum anbieten könnten", sagt Huppertz. Das LMU-Klinikum verfüge über mehr als 1000 Wohnplätze. Die aber deckten bei weitem nicht den Bedarf. Außerdem seien die Wohnungen teilweise aus den Siebzigerjahren und entsprächen nicht mehr dem Standard.

Der Engpass beim Pflegepersonal lasse sich neben anderem auf zurückgehende Ausbildungszahlen und das Wirtschaftlichkeitsgebot zurückführen - Leistungen unterliegen festgelegten Kriterien, die kaum Abweichungen zulassen, und mehr Personal schon gar nicht. Krankenschwestern seien längst nicht mehr Engel in Weiß, sondern ein Kostenfaktor, so Huppertz. Eine Haltung, die den Nachwuchs abschreckt und den Pflegeberuf unattraktiv gemacht habe. Viele junge Menschen scheuten sich vor der Arbeitsbelastung.

Silke Großmann vom TU-Klinikum fordert Achtung und Respekt für die Berufsgruppe. Die diplomierte Pflegewirtin kritisiert die fehlende Wertschätzung des Pflegeberufs. Wie ihr Kollege plädiert sie für eine Akademisierung des Berufs. Der Weg dorthin ist ihr entschieden zu lang. An sieben Hochschulen in Bayern wird es zum Wintersemester 2020/21 neue Studienangebote in der Pflege geben. Bei diesen sogenannten primärqualifizierenden Studiengängen werden alle Ausbildungsinhalte den Anforderungen der Berufsgesetze entsprechend an der Hochschule vermittelt. Insgesamt liegt der geschätzte Bedarf in Bayern bei etwa 600 bis 800 Studienanfängern pro Studienjahr. In München wurden aufgrund ihrer Erfahrungen mit dualen Pflegestudiengängen die Katholische Stiftungshochschule (KSH) und die Hochschule für angewandte Wissenschaften (HaW) ausgewählt. Schon diesen Herbst wird an der KSH erstmals der Bachelorstudiengang Hebammenkunde angeboten.

Problematisch für die Kliniken: Sie verlieren gut ausgebildete Pflegekräfte nicht selten an Zeitarbeitsfirmen. Die zahlen besser und bieten flexiblere Arbeitsbedingungen. Laut Großmann verdienen Zeitarbeitskräfte bis zu 1000 Euro brutto mehr. Positiv ist, dass die Firmen bei Engpässen, etwa bei plötzlichen Krankmeldungen an Feiertagen, Ersatzpersonal vermitteln. Andererseits schnappen sie den Kliniken gute Arbeitskräfte weg. "Wer eine High-End-Qualifikation besitzt", so Huppertz, rufe schon mal 100 Euro pro Stunde auf. Geld aber ist nicht alles. Großmann setzt auf gutes Arbeitsklima. Im Mittelpunkt stünden die Patienten. "Wir wollen, dass sie super versorgt sind."

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