Internet-Hetze:Standleitung zum BKA

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Das BKA schlägt vor, dass ihm alle anstößigen Postings und Beleidigungen gemeldet werden, die Facebook bisher nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz löscht. (Foto: Dominic Lipinski/picture alliance)

Facebook und Co. sollen Internet-Hetzer ausnahmslos der Polizei melden. Der Kampf gegen den Hass im Netz würde damit spürbar an Fahrt aufnehmen.

Kommentar von Ronen Steinke, Berlin

Was das Bundeskriminalamt jetzt fordert, hätte für Internetnutzer spürbare Folgen. Alle anstößigen Postings, Bedrohungen und Beleidigungen, die Facebook bisher nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz löscht, sollen künftig automatisch auch an das BKA gemeldet werden. Strafanzeigenquote: 100 Prozent. Der Plattformbetreiber müsste praktisch eine Standleitung zur Polizei einrichten.

Eine solche Verschärfung des NetzDG würde, erstens, viel mehr Verantwortung bedeuten für die schlecht bezahlten, schlecht ausgebildeten Clickworker bei Facebook, Twitter und anderswo. "Content-Moderatoren" heißen die bemitleidenswerten Geschöpfe. Sie würden nicht mehr nur am Fließband blocken, sondern künftig auch am Fließband Anzeige erstatten.

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Auch das Problem des sogenannten Overblocking - dass also in der Hektik auch legale Meinungsäußerungen gelöscht werden - bekäme damit neues Gewicht. Wobei zu hoffen wäre, dass der engere Kontakt zur Polizei den privatwirtschaftlichen Zensoren mehr Wissen und Sensibilität für die Rechtsprechung zu Grenzen der Meinungsfreiheit bringen würde. Bislang betreibt der Staat hier ja eine Art Outsourcing von Rechtsstaatlichkeit. Die Beurteilung, ob Hass und Häme im Netz schon das Strafgesetzbuch berührt, wird den Facebook-Leuten überlassen. Fragen, über die selbst Richter lange diskutieren können (und sollten!), werden in 30 Sekunden beurteilt. Künftig würde das BKA wenigstens in einen engeren Austausch mit den Facebook-Zensoren eintreten.

Das BKA will sich jeden Fall zur Prüfung vorlegen lassen und ihn dann - falls das Hass-Posting tatsächlich strafbar erscheint - an die Landespolizei am Wohnort des Täters weiterleiten. So dürfte die Strafverfolgung gegen Internet-Hetzer wahrscheinlich rasch spürbar an Fahrt aufnehmen in Deutschland. Während bisher nur einzelne Bundesländer gezielt gegen solche Hass-Postings ermitteln, würde das BKA künftig allen dabei helfen, Tempo zu machen.

Neu wäre dann, zweitens, dass sich Deutschland von einem lange gepflegten Prinzip des Rechts verabschiedet. Dieses lautet: Es gibt für Privatpersonen keine Anzeigepflicht (außer für bevorstehende und noch verhinderbare schwere Straftaten, aber das ist ein Sonderfall). Der Gedanke dahinter lautet: Niemand soll gezwungen werden, einen anderen zu denunzieren. Dieses Prinzip würde im Netz künftig aufgehoben; Plattformbetreiber wie Facebook bekämen erstmals in der deutschen Geschichte die Pflicht, alles an die Polizei zu melden.

Damit würde, drittens, ein weiteres Prinzip obsolet: Beleidigung ist ein Antragsdelikt. Das heißt, der Staat überlässt es grundsätzlich den Betroffenen selbst, ob sie im Einzelfall eine Einmischung der Ermittler wünschen. Das ist ihre Autonomie. Manchmal mag ein Opfer von Mobbing oder rassistischer Beschimpfung gute Gründe dafür haben, einen Fall nicht an die Polizei heranzutragen. Dann ist das zu respektieren. Dies würde sich ändern, wenn künftig ganz automatisch das BKA eingreift. Die Polizei würde künftig sehr viel häufiger einschreiten, und zwar ohne vorher zu fragen.

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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