Science Fiction-Film:Eine Maschine namens Mama

Science Fiction-Film: Tochter (Clara Rugaard) und Mutter: Um das Überleben der Menschheit zu sichern, müssen ungewöhnliche Mittel ausprobiert werden.

Tochter (Clara Rugaard) und Mutter: Um das Überleben der Menschheit zu sichern, müssen ungewöhnliche Mittel ausprobiert werden.

(Foto: Concorde)
  • "I am Mother" handelt von der unheimlichen und faszinierenden Idee, was passiert, wenn ein Kind nur in der Obhut einer Maschine heranwächst - ohne menschlichen Kontakt.
  • Die Inszenierung ist ein Kammerspiel mit nur zwei Schauspielerinnen (Clara Rugaard und Hilary Swank) und einem Roboter und spielt in vielen Facetten moralische Fragen zu künstlicher Intelligenz durch.

Von Nicolas Freund

So etwas hat sie noch nie gesehen: Es ist klein, grau und pelzig. Es besteht aus Fleisch und Knochen, nicht aus Stahl und Kunststoff. Es lebt wirklich und spult nicht nur vorgegebene Programme ab. Vor allem aber bedeutet die Anwesenheit der Maus, dass da draußen etwas ist, auch wenn der Roboter immer etwas anderes behauptet hat. Wenn wirklich alles Leben an der Oberfläche vernichtet und die ganze Welt verseucht sein soll, wie kann dann dieses winzige Tier überlebt haben? Und noch dazu in den unterirdischen Bunkerkomplex eingedrungen sein, in dem sie, der wohl letzte Mensch, seit ihrer Geburt lebt? Hat die Maschine, die sie Mutter nennt, sie all die Jahre angelogen?

Diese Maschine, ein großer, klobiger Roboter, ist eine der drei Hauptfiguren in Grant Sputores Spielfilmdebüt "I Am Mother". Ihre Aufgabe ist es, wenigstens scheint es so, im Falle einer Katastrophe für einen Neustart der Menschheit zu sorgen. Tausende tiefgefrorene Embryonen lagern deshalb tiefgekühlt unter der Erde und können bei Bedarf in einer gläsernen, künstlichen Gebärmutter heranwachsen, bis dann der Roboter als Mutter, Lehrer und Spielkamerad in Personalunion die Erziehung übernimmt.

Der Film nimmt sich viel Zeit, diese faszinierende und unheimliche Idee vom Heranwachsen eines Kindes nur in der Obhut einer Maschine auszugestalten: Spieldecken in riesigen, kalten Lagerhallen, Bastelstunde mit der Robotermutter, Geburtstagskuchen strengstens nach Rezept. Aber warum lügt diese Muttermaschine offenbar über das, was jenseits der Bunkermauern vor sich geht? Und wenn die Erde neu bevölkert werden muss, warum zieht sie dann nur ein Kind groß? Als kurz nach dem Besuch der Maus eine Frau (Hilary Swank) vor den Bunkertoren um Hilfe bittet, werden die Zweifel des Kindes an den Erzählungen des Roboters immer stärker.

In einem Interview verglich Hilary Swank den Regisseur mit Christopher Nolan

Die Maschine darf hier im Gegensatz zu vielen anderen Sci-Fi-Filmen endlich einmal Maschine sein. Obwohl dieser undurchschaubare Roboter eine humanoide Form hat, verzichtet der Film darauf, ihm menschliche Emotionen zu unterstellen. Jederzeit ist klar, dass es hier um die Beziehung zwischen Mensch und Maschine geht - in der es natürlich auch zu Emotionen kommen kann, allerdings nur auf der Seite des Menschen. So schwebt über dem ganzen Film die Frage, wie sich das Mädchen zu der Roboterin verhält, die ihr einziger Bezugspunkt ist.

Kann man als Mensch überhaupt anders mit einem solchen Gegenüber umgehen, als ihm menschliche Züge zu unterstellen? Das sind Fragen, die auch in der aktuellen Debatte um künstliche Intelligenz immer wieder gestellt werden, und der Film geht hier sogar noch etwas weiter, indem er die Idee anschließt, was denn wäre, wenn die Maschine auch um genau diese Tendenz der Menschen wüsste und sie ebenfalls in ihre Handlungen einkalkulieren würde? Wie müsste dann der Mensch wiederum darauf reagieren? Und wie könnte er das erkennen, wenn er doch in der Maschine nur eine Maschine sehen soll und die menschlichen Imitationen am besten ignoriert?

Bei einem Interview auf dem Sundance-Festival, wo der Film Anfang des Jahres Premiere hatte, verglich Hilary Swank Regisseur Grant Sputore mal eben mit Christopher Nolan, was vielleicht noch etwas hochgegriffen war. Aber große Ambitionen als Filmemacher kann man ihm nach seinem sehr gelungenen Debüt durchaus unterstellen. Neben der Inszenierung des Kammerspiels mit nur zwei Schauspielerinnen und einem Roboter sowie den in vielen Facetten durchgespielten moralischen Fragen hat er in dem Film auch noch viele kleine Hommagen an Science-Fiction-Klassiker wie "Alien" oder "2001" und diverse Computerspiele versteckt.

In jedem Moment spürt man die Lust des Teams am Filmemachen. Seit Anfang Juni ist "I Am Mother" in den meisten Ländern auf Netflix verfügbar, nur in Deutschland und einer Handvoll anderer Staaten bekommt er den Kinostart, den er verdient hat.

I Am Mother, Australien 2019 - Regie: Grant Sputore. Buch: Michael Lloyd Green. Kamera: Steve Annis. Mit Rose Byrne, Clara Rugaard, Hilary Swank. Verleih: Concorde, 113 Minuten.

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