Energie:Die Batterie, die Strom aus dem Meer gewinnt

Mississippi

Delta des Mississippi: Wo Süßwasser auf Salzwasser trifft, ließe sich "blaue Energie" ernten.

(Foto: Esa)
  • Trifft salzreiches auf salzarmes Wasser, entsteht "blaue Energie" - der Salzgehalt gleicht sich aus.
  • Forscher der Universität Stanford haben eine Batterie entwickelt, um diese Naturkraft in Strom zu verwandeln.
  • Einen Prototyp haben die Wissenschaftler bei einer Kläranlage nahe San Francisco getestet.

Von Andrea Hoferichter

Ein Phänomen, das auch beim Salzen von Nudelwasser eintritt, wollen Forscher aus Kalifornien zur klimafreundlichen Stromproduktion nutzen. Trifft salzreiches auf salzarmes Wasser, schwärmen Salzteilchen von ganz allein aus, bis der Salzgehalt überall gleich ist. Das geschieht nicht nur im Kochtopf, sondern auch am Meer, an Flussmündungen zum Beispiel oder dort, wo Kläranlagen gereinigte Abwässer einleiten. Um diese Naturkraft, die auch "blaue Energie" genannt wird, in Strom zu verwandeln, arbeitet ein Team um Kristian Dubrawski von der Stanford University an einer Batterie der besonderen Art.

"Unsere sogenannte Mischungsentropie-Batterie ist einfach gebaut und besteht aus kostengünstigen Materialien", sagt Dubrawski. Anders als andere Verfahren, die das gleiche Phänomen nutzen, kommt sie ohne wartungsintensive Membranen und Stromturbinen aus. Die Batterie enthält zwei Elektroden, von denen eine aus dem Farbpigment Berliner Blau besteht, die andere aus dotiertem Polypyrrol, einem leitfähigen Kunststoff. Darüber berichteten die Forscher im Fachblatt ACS Omega. Wird die Batterie abwechselnd mit Meerwasser und Süßwasser geflutet, wandern elektrisch geladene Salzteilchen immer wieder in die Elektrodenmaterialien hinein beziehungsweise heraus. Über einen äußeren Stromkreis können dann elektrische Ströme abgezapft werden. Das Prinzip ist nicht neu, doch die gewählten Materialien seien robuster und billiger als in bisherigen Apparaturen, heißt es laut Studie.

Drei Prozent des weltweiten Strombedarfs könnten an Flussmündungen gedeckt werden

Die Wissenschaftler haben einen Prototyp mit Meerwasser aus einer Bucht bei San Francisco und gereinigtem Abwasser aus einer Kläranlage in Palo Alto erfolgreich getestet. "Kläranlagen in Küstennähe sind ein guter Ausgangspunkt, um die Technologie zu etablieren", sagt Dubrawski. Deren Energiebedarf könne damit großteils oder sogar vollständig gedeckt werden. Das globale Potenzial für die salzgestützte Stromernte aus dem Meer ist noch viel größer. Allein an Flussmündungen ließen sich jährlich 625 Terawattstunden gewinnen, was drei Prozent des weltweiten Stromverbrauchs entspreche, berichtete ein internationales Forscherteam 2016. Zudem fließt der "blaue" Strom unabhängig von Wetter, Jahres- oder Tageszeit. Das ist ein Vorteil gegenüber Windkraft- oder Solaranlagen.

Bisher lag der Fokus auf Verfahren, in denen Membranen Süß- und Salzwasser trennen. Maßgeschneiderte Poren lassen nur bestimmte Teilchen passieren, zum Beispiel Wassermoleküle. Diese schlüpfen von der Süßwasser- auf die Meerwasserseite, um die hohe Salzkonzentration dort auszugleichen. Mit dem erhöhten Wasserdruck kann eine Stromturbine betrieben werden. Vor zehn Jahren testete der norwegische Energiekonzern Statkraft diese sogenannte Osmose-Technologie, verfolgte sie aber aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht weiter. Noch in Betrieb ist die ebenfalls membrangestützte, eher batterieähnliche Pilotanlage des niederländischen Unternehmens Redstack. Das Kernstück dieser sogenannten Umkehr-Elektrodialyse-Anlage ist ein Stapel aus Membranen, die nur für elektrisch geladene Salzteilchen durchlässig sind. Allerdings sind Membranen nicht nur das Herz, sondern oft auch ein Schwachpunkt solcher Verfahren, denn sie begrenzen die Stromernte und müssen häufig von Verstopfungen befreit werden. Daran arbeiten Forscher noch.

Ob das membranfreie Arrangement aus Kalifornien als Alternative taugt, bleibt abzuwarten. Bisher liefert es lediglich im Labor Strom und davon noch zu wenig. "Ich würde sagen, dass die Leistungsdichte noch um eine Größenordnung steigen müsste, damit unsere Batterie für kommerzielle Anwendungen taugt", sagt Dubrawski. Doch dann wollen die Forscher die Planung einer Pilotanlage am Meer in Angriff nehmen.

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