Belästiger oder Gentleman?:Prominente Opernsängerinnen verteidigen Plácido Domingo

Von Michael Stallknecht

Es ist bei Tenören berufsbedingt, dass sie ungewöhnlich viele Partnerinnen haben - zumindest auf der Bühne. Wie weit Plácido Domingo in seiner inzwischen ein gutes halbes Jahrhundert währenden Karriere Beruf und Privatleben verwechselt haben könnte, wurde in der vergangenen Woche Gegenstand von Vorwürfen, die vor allem neun ehemalige Kolleginnen gegen ihn erhoben, darunter namentlich bislang nur die Mezzosopranistin Patricia Wulf: Domingo habe sie in den Achtziger- und Neunzigerjahren privat und während gemeinsamer Auftritte sexuell belästigt. Nun machen im Gegenzug einige prominente Sängerinnen mobil, die mit dem Sänger häufig auf der Bühne gestanden haben.

"Er war immer ein Gentleman und hat mich mit Würde und Respekt behandelt", teilte die Sopranistin Ana María Martínez mit. Als freundlich und korrekt beschreibt auch die Mezzosopranistin Violeta Urmana den langjährigen Umgang mit dem Tenor. Unter den Unterstützerinnen finden sich Diven einer älteren Generation wie Teresa Berganza, der mittleren wie Barbara Frittoli und Maria Guleghina ebenso wie solche der jüngsten Generation wie Ermonela Jaho und Asmik Grigorian, die auch Domingos Engagement für junge Sänger und Sängerinnen im Rahmen des von ihm geleiteten Wettbewerbs Operalia betont. Domingo sei ein "echter Gentleman, Philanthrop, Künstler, ein charmanter und friedlicher Mensch", schrieb die Sopranistin Sonya Yoncheva auf Twitter - und darüber hinaus einfach "eine unersetzliche Figur in unserem Geschäft".

Dies sehen wohl auch die meisten Opernhäuser und Konzertveranstalter so, die momentan an Domingo festhalten. Das Philadelphia Orchestra und die Oper in San Francisco sagten seine anstehenden Auftritte ab; die mit ihm geplanten Vorstellungen an den Opernhäusern in Zürich, Mailand, Madrid und London sowie in der Hamburger Elbphilharmonie sollen dagegen stattfinden. Die New Yorker Met will ihr weiteres Vorgehen von den Untersuchungen der Los Angeles Opera abhängig machen, an der Domingo seit 2003 Generaldirektor ist. Sie freue sich auf ihre Auftritte im September an der Met "mit dem fantastischen Plácido Domingo", twitterte derweil schon einmal Anna Netrebko. Als nächstes wird der inzwischen zum Bariton gereifte Domingo am kommenden Sonntag bei den Salzburger Festspielen die Rolle des Vaters in Verdis "Luisa Miller" singen, der die Ehre seiner Tochter beschützt. Das Alter bringt andere Rollen mit sich

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