Boris Johnson:Die Wahrheit muss auf den Tisch

Lesezeit: 2 min

Der britische Premier hat im Élysée-Palast einen Fuß auf einen Beistelltisch gelegt. Ist das jetzt nur wieder eine neue Flegelhaftigkeit oder hat die Geste eine geheime Botschaft?

Glosse von Robert Probst

Was sehen wir?

Drei Fahnen, einen Staatsmann und einen Mann, drei Füße auf einem Teppich - wie es sich gehört - und einen Fuß, der leger auf einem Beistelltisch ruht. Eine sehr, sehr lange hellblaue Krawatte. Eine geradezu putinhafte Sitzhaltung beim britischen Premier Boris Johnson, einen halb provozierenden, halb schelmischen Blick. Und einen Gastgeber, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der offenbar nicht so recht weiß, was er von der kleinen Demonstration halten soll. Das Grinsen wirkt leicht gequält, die Hand scheint den kleinen Tisch vor dem Wegrutschen bewahren zu wollen. Ob das die Art eleganter Bequemlichkeit ist, die sich Madame Macron vorstellt, darf bezweifelt werden. Immerhin: Die Schuhe scheinen recht neu zu sein, man weiß ja, wie schnell die unten abgewetzt aussehen. Und die Socken sind glücklicherweise lang genug, so dass man nicht auch noch in den Genuss einer Männerwade kommt.

Was sagt uns das?

Mit der feinen englischen Art ist es offenbar nicht mehr so weit her. In einem Schloss zumal sollte man sich so als Gentleman nicht verhalten. Das ist aber nur die offensichtliche Sicht der Dinge. Jeder Coach weiß: Wenn du wissen willst, wie der andere zu dir steht, dann schau auf die Füße. Die Fußstellung gilt als der perfekte Spiegel der inneren Haltung. Weil jeder gute Miene zum bösen Spiel machen kann, aber fast keiner beigebracht bekommt, bewusst auf seine Fußstellung zu achten.

Oder hat der Premier einfach nur einen "informellen Ansatz" gewählt, wie der Guardian schreibt? War es die Rache für das ständige Schultertätscheln durch Macron, bevor die beiden sich es im Schloss gemütlich gemacht haben? Die Wahrheit ist natürlich viel banaler: Johnson ist schon seit Tagen in bester Laune. Wir erinnern uns, am Mittwoch hatte er nach dem Empfang bei Kanzlerin Angela Merkel enthusiastisch erklärt: "So etwas Großartiges habe ich, glaube ich, überhaupt noch nicht erlebt in meinem Leben, das ist eine wunderbare Sache, dass ich heute hier in Berlin sein kann." Auch bei Macron fühlt er sich einfach gut, zu Gast bei Freunden eben. Der Gerechtigkeit halber sei hinzugefügt: Die Szene fand offenbar im Rahmen eines gemeinsamen Scherzes der beiden Männer statt. Der Fuß fand sehr schnell wieder den Weg zum Teppich und Johnson sagte: "Sorry".

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Warum schauen wir hin?

Weil die ganze Welt hinsieht. Die Onlineausgaben von Le Monde und Guardian schmückten ihre Titelseiten am Abend damit. Weil es die Frage aufwirft, ob in Eton, die gemeinhin als Elite-Schule gilt und die auch Boris Johnson einst besucht hat, keine Manieren gelehrt wurden, wie in den sozialen Medien sogleich geunkt wurde. Weil man darüber nachdenken kann, ob der neue Spitzname "Boorish Johnson" lustig ist oder nicht. Oder ob das gleich wieder als eine "Flegelhaftigkeit" von Brexit-Gegnern gewertet werden muss.

Wann schauen wir wieder weg?

Wenn Boris Johnson endlich mit beiden Füßen in der Realität angekommen ist. Das dürfte noch dauern. Womöglich auch länger als bis zum 31. Oktober.

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