Geopolitik:Neue Eiszeit in der Arktis

Gletscher in Grönland

Eine "Immobilie" ist Grönland für Trump, er will sie kaufen. Dieser Grönländer, der auf einer Schiffspassage vor Kulusuk eine Zigarette raucht, bleibt cool.

(Foto: dpa)

Grönland strebt die Unabhängigkeit an. Ist das in Zeiten von Donald Trump wirklich eine gute Idee? Die alte Weltordnung gibt es nicht mehr - und eine neue ist noch nicht in Sicht.

Gastkommentar von Ulrik Pram Gad

Wenn von der Arktis die Rede ist, ging es zuletzt meist um schmelzende Polkappen. Die neueste Show im Zirkus Trump - der Versuch des US-Präsidenten, Grönland von Dänemark zu kaufen, und die Absage seines Besuchs in Kopenhagen - sollte uns klarmachen, dass es einen geopolitischen Klimawandel gibt, der sich genauso drastisch auswirken könnte. Die liberale Weltordnung, die seit Generationen das Gerüst für die Verbindung zwischen Grönland und Dänemark bildet, steht unter Druck und wird vielleicht zerstört. Dieser Zeitenwechsel ist vermutlich noch schwieriger zu handhaben als die Herausforderung des echten Klimawandels.

Die Weltordnung, von der wir uns nun wohl verabschieden, war auf drei verschiedene Arten liberal und bestimmte auch das Schicksal der Insel Grönland, die flächenmäßig halb so groß ist wie die EU, auf der aber nur 56 000 Menschen leben - einheimische Inuit und auch einige Dänen, die der Liebe oder einem Job in den Norden gefolgt sind.

Mit dem Klimawandel wächst die Aussicht, an die Bodenschätze der Arktis zu kommen

Erstens basierte die Weltordnung auf Rechten. Grönland hat davon profitiert - sowohl in Form einzelner Menschenrechte seit der formellen Entkolonialisierung im Jahr 1953 als auch in Form des Selbstbestimmungsrechts der Völker, das Grönland als Instrument einsetzte, um sich schrittweise der Unabhängigkeit anzunähern. Zweitens war sie marktbasiert - eine Herausforderung für Grönland, das aufgrund seiner Bevölkerungszahl und seiner geografischen Besonderheiten nur eine begrenzte Anzahl von Märkten hat. Die Hochseefischerei erwirtschaftet die meisten Exporteinnahmen, ansonsten lebt man von Subventionen aus Kopenhagen.

In Sicherheitsfragen, drittens, beruhte die liberale Weltordnung auf der Macht der USA. Grönland bekam auch die dunkle Seite dieser Macht zu spüren durch Vorfälle, die mit der US-Militärbasis in Thule zusammenhingen: die Zwangsumsiedlung von Jagdvölkern, den Absturz einer B 52 mit Atomwaffen an Bord, nicht zuletzt die radioaktive Verschmutzung durch den wahnwitzigen Versuch, eine Basis für den Abschuss interkontinentaler Atomraketen unter dem grönländischen Eis zu bauen. Man sprach vom "Project Iceworm", im Vergleich dazu wirkt Trumps Politik geradezu vernünftig. Grönland hat aber zweifellos profitiert, nicht zuletzt, als die USA im Zweiten Weltkrieg Waren lieferten, als es von Kopenhagen abgeschnitten war.

Wie auch immer man die Dominanz der USA beurteilt: Der Arktis gab sie Stabilität. Während des Kalten Kriegs haben Amerikaner und Russen die Arktis in ihren staatlichen Grenzen "eingefroren", doch nach dem Ende der UdSSR gab es neue Möglichkeiten für die indigenen Völker, sich zu organisieren und ihre eigenen Visionen zu entfalten, wenn es darum ging, Tradition und Fortschritt in Einklang zu bringen. Heute erscheint es unklar, welchen Wert das Recht auf Nichteinmischung und territoriale Integrität noch besitzt.

Mit dem Klimawandel in der Arktis lockt die Aussicht auf neue Schifffahrtsrouten und Bodenschätze. China bietet den Grönländern bereits nicht ganz marktbasierte, "langfristige" Investitionen an, um seinen Einfluss in der Arktis auszubauen. Russland rüstet wieder auf. Und die USA agieren zunehmend unilateral und unberechenbar. Dass Trump nun Grönland als "Immobilie" betrachtet, sollte den Grönländern und den Dänen, aber auch ganz Europa zu denken geben.

Aus europäischer Sicht hat man sich vielleicht daran gewöhnt, dass Trump Verbündete wie Kontrahenten behandelt. Aber für Dänemark ist die Situation speziell. Das Land hat, ohne Bedingungen zu stellen, den Amerikanern seit 1945 Grönland für militärische Zwecke zur Verfügung gestellt und ist ihnen in alle militärischen Abenteuer im Nahen Osten gefolgt. Nun stellt sich die Frage: Bietet die Nato unter Trump wirklich noch eine Lebensversicherung? Oder müssen wir uns doch sehr viel mehr an die Europäische Union anlehnen? Dabei ist es gut möglich, dass Dänemark und Grönland bald unterschiedliche Bedingungen für die Wahl ihrer Bündnispartner haben.

Grönland besitzt weitgehende Autonomie, diese gilt für die meisten inneren Angelegenheiten und reicht in die Außenpolitik hinein. Laut Koalitionsvertrag zwischen Dänemark und Grönland ist die Insel "unwiderruflich auf dem Weg zur Unabhängigkeit". Dänemark mag Europa gegenüber den USA den Vorzug geben - aber ein unabhängiges Grönland, von Washington aus gesehen an der Spitze des nordamerikanischen Kontinents gelegen, kann es sich kaum leisten, aus der Allianz mit den USA auszusteigen. Ob diese Nähe Fluch oder Segen ist für die kleine, große Insel, muss sich erweisen.

Ulrik Pram Gad, 46, ist Professor für arktische Kultur und Politik an der Universität Aalborg in Dänemark und Grönland-Experte. Übersetzung aus dem Englischen: Kevin Scheerschmidt.

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