Altersarmut:Riester, Rürup - und jetzt die Habeck-Rente?

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Grünen-Chef Robert Habeck regt an, dass sich Deutschland am Vorbild Norwegens orientieren und einen "Bürgerfonds" auflegen soll. (Foto: dpa)

Der Grünen-Chef plädiert für einen Bürgerfonds. Wenn der Früchte trägt, ist Habeck selbst 101 Jahre alt. Charmant ist die Idee trotzdem.

Kommentar von Hendrik Munsberg

Die Deutschen fühlen sich gern als stärkste Wirtschaftsnation Europas. Und doch gibt es immer andere, denen es besser geht. Die Europäische Zentralbank rechnete das unlängst vor. Das mittlere Nettovermögen der Deutschen ist mit rund 60 000 Euro das viertniedrigste aller Staaten der Euro-Zone. Franzosen und Italiener verfügen über ein etwa doppelt so hohes Geldvermögen. Und nicht einmal jeder zweite Bundesbürger hat Wohneigentum, auch da sieht es in anderen Ländern Europas besser aus. Hinzukommt: Immer mehr Menschen werden sich gegen Altersarmut stemmen müssen - und das in Zeiten von Negativzinsen, die, wie es aussieht, zum Langzeitphänomen werden.

Jetzt hat Grünen-Chef Robert Habeck einen Vorstoß unternommen, den man sich auch als Initiative des sozialdemokratischen Bundesfinanzministers Olaf Scholz hätte vorstellen können: Deutschland soll sich am Vorbild Norwegens orientieren und einen "Bürgerfonds" auflegen. Der Staat soll also ein ansehnliches Milliardenvermögen bilden, dessen Erträge genutzt werden als Ergänzung zur Altersvorsorge - für breite Schichten der Bevölkerung. Gelingt nach Riester- und Rürup-Rente demnächst mit der Habeck-Rente endlich der Durchbruch?

Fonds müsste sein Geld vor allem auch in Aktien anlegen

Die Idee ist keineswegs neu, entwickelt aber angesichts der aktuellen Zinssituation einigen Charme: Die Bundesrepublik Deutschland hat auf den internationalen Kapitalmärkten eine erstklassige Bonität, die Zinsen auf langfristige Staatsanleihen sind negativ, zugleich erreicht die Schuldenquote mit rund 60 Prozent wieder solides Niveau.

Eine kluge Bundesregierung, die sich nicht wie Scholz weiterhin an der "schwarzen Null" ergötzen möchte, könnte das nutzen, um ein Vermögen aufzubauen, dessen Erträge in Zukunft den Bürgern zufließen - als kapitalgedeckte Zusatzrente. Der Fonds müsste, von Profis gemanagt, sein Geld vor allem auch in Aktien anlegen, wovor Bürger gerade in Deutschland oft zurückschrecken, was verständlich ist, ihre Vermögensbildung aber seit Langem empfindlich schwächt.

Norwegen hat aller Welt vorgemacht, wie das geht: Indem es weitsichtig seinen Ölreichtum und die Erträge daraus nicht in raschen Konsum ummünzte, sondern in einen Staatsfonds lenkte, der keine Scheu kennt, in Tech-Konzerne wie Microsoft, Apple und Amazon zu investieren. Auch deswegen verfügt jeder Bürger Norwegens heute durch den Staatsfonds rechnerisch über ein Vermögen von etwa 200 000 Euro.

Schuldentilgung verlangsamen

Nun kann Deutschland bekanntermaßen keine Bodenschätze zu Geld machen, es könnte aber seine international hohe Glaubwürdigkeit als Schuldner zum Nutzen der Allgemeinheit einsetzen und das so gewonnene Geld in Aktien, Immobilien oder Anleihen investieren. Zu Recht weist der Rentenexperte Bert Rürup darauf hin, das eigentlich Innovative dieser Idee bestehe darin, die Schuldentilgung des Staates zu verlangsamen und dadurch frei werdende Mittel gewinnbringend anzulegen.

Was dies konkret bedeutet, zeigt eine Modellrechnung des Ifo-Instituts: Die Überschüsse des Fonds sollen vor allem dazu dienen, jüngeren Jahrgängen beim Erreichen der Regelaltersgrenze dereinst eine nennenswerte Geldsumme auszuzahlen. Allerdings wird es Jahrzehnte dauern, bis der Bürgerfonds erkennbare Früchte abwirft. Wer von Anfang an mit Fondsanteilen dabei ist, soll von etwa 2070 an - Robert Habeck ist dann 101 Jahre alt - eine jährliche Zusatzrente von inflationsbereinigt rund 1270 Euro bekommen. Nur Kleinvieh? Der Einzelne hat dafür nie selber eigene Mittel aufgewendet. Der Fonds könnte also helfen, Altersarmut entgegenzuwirken. Wahr ist aber auch: Reichen wird das allein nicht.

© SZ vom 24.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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