Notenbanker-Treffen in Jackson Hole:Powell in der Zwickmühle

FILE PHOTO: Federal Reserve Chair Jerome Powell and New York Federal Reserve President John Williams walk together in Jackson Hole

Fed-Chef Jerome Powell (rechts) und der Präsident der New Yorker Dependance während eines Spaziergangs in Jackson Hole.

(Foto: Ann Saphir/Reuters)
  • Kein Notenbankpräsident der jüngeren Geschichte stand so unter Druck wie Jerome Powell, Chef der US-Zentralbank.
  • Donald Trump drischt pausenlos auf ihn ein - gleichzeitig muss Powell auf die sich abkühlende Konjunktur in den USA reagieren.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Manchmal wäre man gerne dabei, wenn Jerome Powell eine jener Beleidigungen entdeckt, die Donald Trump keine 1000 Meter Luftlinie entfernt in sein Handy getippt hat. Zuckt der Chef der US-Notenbank Fed zusammen, wenn ihn der Mann im Weißen Haus über den Kurzmitteilungsdienst Twitter als ahnungslosen Deppen beschimpft? Oder rollt er nur mit den Augen, während ihm zugleich ein paar Unflätigkeiten über die Lippen kommen, die sein Büro an Washingtons Constitution Avenue besser nicht verlassen sollten?

So oder so: Kein Notenbankpräsident der jüngeren Geschichte stand jemals so unter Druck wie der amtierende. Powell hat nicht nur mit einer Abkühlung der US-Konjunktur zu tun, vielmehr muss er auch mit einem Präsidenten klarkommen, der ihn dazu zwingen will, den wirtschaftlichen Schaden zu beheben, den er, Trump, mit seiner aggressiven Handelspolitik angerichtet hat. Oder anders gesagt: Die Fed soll verhindern, dass Trump die Wirtschaft ausgerechnet im für ihn so wichtigen Wahljahr 2020 zugrunde richtet.

Trump hat mit seinen Zollattacken Firmen und Verbraucher verunsichert

Einblicke in sein tiefstes Seelenleben ließ Powell anscheinend auch beim traditionellen Jahrestreffen führender Notenbanker in Jackson Hole nicht zu, das er am Freitag mit einer Rede eröffnen sollte. Laut Manuskript machte er jedoch deutlich, dass die Zollattacken des Präsidenten auf China und Europa maßgeblich zur schleppenden Industrieproduktion und den sinkenden Investitionen der Unternehmen beigetragen hätten.

Daneben gebe es weitere konjunkturelle Problemfelder wie den EU-Austritt Großbritanniens und die Unruhen in Hongkong. Die Fed beziehe grundsätzlich alle diese Faktoren in ihre Überlegungen ein, sie sei aber nicht in der Lage, die durch den Handelsstreit entstandene Unsicherheit unter Firmen und Verbrauchern mit den Mitteln der Geldpolitik zu beseitigen. Es sei vielmehr so, "dass es in jüngerer Zeit keinen Präzedenzfall gibt, der Hinweise darauf liefern würde, welche politische Reaktion in der jetzigen Situation angemessen wäre", so der Fed-Chef. Powell steckt auch deshalb in der Klemme, weil einerseits viele Indikatoren anzeigen, dass der US-Aufschwung prinzipiell noch intakt ist, auf der anderen Seite aber die Stimmungsbarometer Unwettergefahr melden. Für den Fed-Chef ist das ein Problem, denn er hat Bürgern und Börsianern beim Amtsantritt versprochen, dass sich die Notenbank bei ihren Zinsbeschlüssen weniger an theoretischen Modellen als an aktuellen Konjunkturdaten orientieren wird. Was aber, wenn sich die wesentlichen Daten so stark widersprechen, dass es selbst in der Fed-Führung unterschiedliche Ansichten gibt, was zu tun ist?

Trumps Forderung nach einer weiteren Zinssenkung um "mindestens einen Prozentpunkt" kann Powell auch deshalb schon nicht nachgeben, weil auf den Präsidenten aller Erfahrung nach kein Verlass ist: Trump braucht die Notenbank, um die negativen Folgen seiner Handelspolitik auf die Wirtschaft abzufedern. Wer aber garantiert, dass er eine Leitzinssenkung nicht nutzte, um den Druck auf Peking sogar noch zu erhöhen - und tags drauf den nächsten Zinsschritt einzufordern?

Zudem setzte Powell die Unabhängigkeit der Fed aufs Spiel - ein Konstrukt, von dem Trump eh nichts hält, wie die frühere Notenbankchefin Janet Yellen vergangene Woche konstatierte. Powell selbst, ein durch und durch höflicher und zurückhaltender Mensch, hat bereits durchblicken lassen, dass er sich notfalls einem Konflikt mit dem Präsidenten stellen würde. Auf die Frage, ob er zurücktreten würde, wenn ihn Trump dazu aufforderte, sagte Powell jüngst: "Das würde ich natürlich nicht tun." Wie groß die gegenseitige Aversion mittlerweile ist, zeigte sich am Freitag, nachdem Chinas Staatspräsident Xi Jinping neue Zölle gegen die USA angekündigt und die Fed zu Trumps Ärger erneut nicht mit einer Zinssenkung reagiert hatte. "Meine einzige Frage ist: Wer ist unser größerer Feind?", twitterte der Präsident. "Jay Powell oder der Vorsitzende Xi?"

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