Studie zum Mobilitätsverhalten:Autofreundlich und lebensfeindlich

Immer weniger Autofahrer schalten selbst

Mit dem Auto von Tür zu Tür, so stellte man sich früher die fortschrittliche Mobilität vor.

(Foto: Sina Schuldt/ dpa)
  • Die Studie Mobilität in Deutschland zeigt, dass die Räume in der Stadt künftig anders verteilt werden müssen, um Alternativen zum Auto zu stärken.
  • Für die Studie befragte das Infas-Institut 2017 rund 29 000 Menschen nach ihrem Mobilitätsverhalten.
  • Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Verkehr in München nur langsam weg vom Autoverkehr und hin zum Fahrrad und öffentlichen Nahverkehr verlagert.

Von Andreas Schubert

Mit dem Auto von Tür zu Tür, direkt ins Stadtzentrum, ohne Stau und Parkplatzsorgen. So stellte man sich früher die fortschrittliche Mobilität vor. Und dem entsprechend gestaltete man auch die Städte. An die Folgen für Mensch und Umwelt dachten die meisten damals noch nicht. Und wer kein Auto hatte oder wollte, zählte in Sachen Nahmobilität zu den Verlierern. Noch heute sind in München die Vorstellungen von Stadtplanern vergangener Jahrzehnte von der autogerechten Stadt zu spüren. Vielerorts sind Radwege so schmal, dass sie kaum diese Bezeichnung verdienen. Und wer zu Fuß zum Beispiel vom Maximiliansplatz zur Markuskirche an der Gabelsbergerstraße gehen will, muss ein geradezu absurdes Asphalt-Meer an Autospuren überqueren.

Eine derartige Gestaltung des öffentlichen Raums lässt sich in zwei Worten als autofreundlich und lebensfeindlich zusammenfassen. Dass die Räume in der Stadt künftig anders verteilt werden müssen, um Alternativen zum Auto zu stärken, das zeigt die Studie Mobilität in Deutschland, bei der das Infas-Institut 2017 im Einzugsbereich des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) rund 29 000 Menschen nach ihrem Mobilitätsverhalten befragt hat. Diesen Sommer wurden die Ergebnisse veröffentlich. Sie zeigen: Der Verkehr in der Stadt verlagert sich nur langsam weg vom Autoverkehr und hin zum Fahrrad und öffentlichen Nahverkehr. Die Vergleichswerte liefern die Ergebnisse zweier vorhergegangenen Studien aus den Jahren 2002 und 2008. Und auch wenn sich die Aufteilung der einzelnen Fortbewegungsarten, der sogenannte Modal Split, allmählich ändert, sind die Verfasser der Studie der Ansicht, dass das Auto auch in Zukunft ein "prägender Bestandteil" des Verkehrs bleiben wird.

Was die tatsächlich zurückgelegten Kilometer betrifft, hat der motorisierte Individualverkehr (MIV), zu dem neben Auto- auch der Motorrad- und Lkw-Verkehr zählen, sogar zugenommen. Das liegt einerseits an der wachsenden Bevölkerung, andererseits daran, dass die zurückgelegten Wege etwas länger geworden sind. So betrug die Verkehrsleistung im Jahr 2008 insgesamt rund 28 Millionen von Menschen zurückgelegte Kilometer am Tag, neun Jahre später waren es bereits 33 Millionen. Berücksichtigt man Einpendler, liegt die Belastung durch den MIV sogar noch höher.

Dem gilt es entgegenzusteuern. Veränderungen in Richtung eines umweltgerechteren Verkehrs seien zwar erkennbar, stünden aber immer noch am Anfang, heißt es in der Studie. Die Verfasser sprechen sich deshalb für eine weitere Stärkung des ÖPNV aus, dann, so der Schluss, wären auch "regulierende Eingriffe" in den Autoverkehr möglich.

Die Detailergebnisse der Studie sind im Internet unter http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/publikationen2017.html abrufbar.

89 Prozent

der Stadt-Münchner ab 14 Jahren gehen gerne zu Fuß. Im Umland sind es immerhin noch 82 Prozent. Am fußfaulsten sind dabei die Jugendlichen bis 17 Jahre. Im MVV-Verbundraum gaben 30 Prozent an, dass sie nicht gerne selbst gehen. Dafür fahren 69 Prozent der Teenager gerne Auto, mehr als alle anderen Altersgruppen. Das dürfte daran liegen, dass sie nicht selbst fahren müssen, sondern sich stressfrei von den Eltern durch die Gegend kutschieren lassen.

18 Prozent

aller Befragten in der Stadt München gaben an, bei ihren täglichen Wegen das Fahrrad zu bevorzugen. 24 Prozent fahren lieber mit Auto, Roller oder Motorrad, was in der Studie unter "motorisierter Individualverkehr", kurz: MIV, zusammengefasst ist. Zehn Prozent sind MIV-Beifahrer, 24 Prozent Fußgänger, weitere 24 Prozent ÖPNV-Nutzer. Die Entwicklung seit dem Jahr 2002 zeigt eine deutliche Tendenz zum Fahrrad.

7 Prozent

der Münchner Haushalte besitzen zwei Autos, knapp die Hälfte aller Befragten kommt mit einem aus. 44 Prozent verzichten ganz auf einen eigenen Wagen. Im Umland ist das Verhältnis deutlich anders. Hier kommen 22 Prozent der Haushalte auf zwei, 57 Prozent auf ein Auto. Nur 16 Prozent der Umlandbewohner leisten sich gar keines. Dafür steht in 81 Prozent der städtischen und in 87 Prozent der ländlichen Haushalte mindestens ein Fahrrad oder E-Bike.

33 Prozent

der jungen Stadt-Münchner zwischen 18 und 29 Jahren nennen den ÖPNV als ihre bevorzugte Art der Fortbewegung, was am relativ guten ÖPNV-Angebot in der Stadt liegt. Mit dem Auto sind nur 22 Prozent am liebsten unterwegs. Frühere Generationen sind da noch anders sozialisiert. Die 40- bis 49-Jährigen zum Beispiel fahren noch zu 32 Prozent am liebsten mit dem Auto und nur zu 21 Prozent öffentlich.

12,5

Kilometer legt jeder Münchner im Schnitt täglich zurück. Im Umland sind es 13,9 Kilometer. Auf die weitesten Strecken bringen es Auto-Beifahrer (25,8), gefolgt von Selbstfahrern (18,9) und ÖPNV-Nutzern (18,6). Die durchschnittliche Radstrecke ist 3,6 Kilometer lang, der Fußweg 1,4 Kilometer. Im Umland spielt der ÖPNV mit 24,6 Kilometern eine größere Rolle als das Auto (17,6 bei Selbst-, 18,9 bei Beifahrern) .

22 Prozent

der Münchner nutzen täglich oder fast täglich das eigene Auto. Genauso viele haben angegeben, nie oder fast nie Auto zu fahren. Die Nutzung hängt allerdings stark davon ab, wo jemand wohnt. So sind in der Kategorie "täglich PKW-Orientierte" zwölf Prozent der Münchner verzeichnet, die innerhalb des Mittleren Rings wohnen. Doppelt so viele Menschen nutzen das Auto, die zwischen dem Ring und der Stadtgrenze wohnen. Interessant ist, dass nur sehr wenige auch verschiedene Verkehrsmittel am Tag nutzen. Bei den Führerscheinbesitzern sind es nur sieben bis acht Prozent. Nur ein Prozent der Leute, die keinen Führerschein haben, zählen zu den Mischnutzern. Allerdings gab ein Zehntel der Befragten an, sich an verschiedenen Tagen auf unterschiedliche Weise fortzubewegen.

4.800.000

Wege legen die Menschen in der Stadt München täglich zurück. Den größten Anteil haben mit 34 Prozent die berufsbedingten Wege. 30 Prozent aller Strecken legen die Münchner in ihrer Freizeit zurück. Das war vor elf Jahren noch deutlich anders. Damals waren nur 25 Prozent aller Wege berufs-, dafür 33 Prozent freizeitbedingt. Für Einkäufe gehen weniger Menschen auf die Straße als 2008: 16 statt 24 Prozent. Ob dies mit dem Online-Handel zu tun hat, lässt die Studie offen.

3000

Carsharing-Autos gibt es ungefähr in München. Mitte August ist auch noch der Berliner Anbieter Miles Mobility dazugekommen. Der berechnet die Fahrten nicht nach Minuten wie die Konkurrenz im sogenannten Free-Floating-Markt. Kunden zahlen ab 79 Cent pro gefahrenem Kilometer. Das kann bei stockendem Verkehr günstiger sein als die Konkurrenz.

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