US-Fernsehen:Aus dem Takt

US-Fernsehen: Sie nannten ihn Spicey: Trumps ehemaliger Pressesprecher Sean Spicer.

Sie nannten ihn Spicey: Trumps ehemaliger Pressesprecher Sean Spicer.

(Foto: Jim Watson/AFP)

Sean Spicer, Trumps ehemaliger Pressesprecher, wird Kandidat einer Tanzshow. Nicht alle finden das gut.

Von Bernd Graff

An dem Tag, an dem sich Sean Spicer der Weltöffentlichkeit vorstellte, wurde er sofort zum Witz. Nicht zu einem guten Witz, dem befreiendes Lachen folgt. Er wurde zu einem bitteren Witz, auf den man mit ungläubiger, ja fassungsloser Sprachlosigkeit und Kopfschütteln reagiert.

Es war der 21. Januar 2017, im Jahr zuvor hatte man in Europa einen durch Lügenkampagnen beförderten Brexit-Beschluss erleben müssen. Und in den USA gab es in Sommer und Herbst 2016 einen Präsidentschaftswahlkampf, der so schmutzig war wie nie einer zuvor. Als Sieger ging ein Rüpel mit komischen Haaren hervor, der direkt aus der untersten politischen Schublade gekrochen zu sein schien.

Und Sean Spicer war sein Megafon, er war nun Pressesprecher im Weißem Haus, und erklärte gleich der versammelten Weltpresse, dass der Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten eine nie zuvor gesehene Menschenmenge beigewohnt habe - unbeeindruckt von den Fotos, die bereits bewiesen hatten, dass die Menge, die bei der Obama-Inauguration zugegen war, deutlich größer gewesen sein musste. Die erste offizielle Lüge im neuen Amt. Sean Spicer war seitdem der grobe Keil zum groben Klotz, der als Stimme seines Herrn die Wirklichkeit zur Lüge erklärte und die Lüge zur Wirklichkeit. Allerdings war ihm wenig professionelle Fortune beschieden. Schon im Mai 2016 versteckte er sich in der Begrünung des Weißen Hauses, um der ärgerlichen Befragung durch Reporter zu entgehen. Im Juli, nicht einmal acht Monate im Amt, warf er das Handtuch.

Um Spicey, wie man ihn bald genannt hatte, wurde es still. Bis jetzt. Der Nachrichtensender ABC erklärte, dass die hauseigene Entertainment Division "Spicey" in die nächste Staffel von "Dancing with the Stars" aufgenommen habe, eine Tanzcastingshow und ein weit über die USA hinaus bekanntes Unterhaltungsformat. Hier tanzen Celebritys mit teils beeindruckenden Choreografien gegeneinander an. Für die Zuschauer ist es ein Spaß der unangestrengten Sorte. Sollte es jedenfalls sein. Dass nun ausgerechnet Spicer hier mitwirbeln soll, stößt darum im Sender auf offen erklärten Unmut. Der Emmy-Preisträger und Moderator der Sendung, Tom Bergeron, erklärte in einem länglichen Twitterpost, dass er vergeblich gehofft hatte, dass die neue Staffel seiner Sendung eine "wünschenswerte Pause in unserem anstrengenden politischen Klima und frei von spaltenden Parteizugehörigkeiten" geblieben wäre, doch die Verantwortlichen hätten sich ganz anders entschieden. Der Konkurrenzsender CNN erhielt auf Anfrage folgende Einschätzung zur Spicer-Nominierung von einem Showverantwortlichen, der nicht namentlich genannt werden wollte: "Es ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen von uns, die sich mit seinem (Spiceys) Blödsinn und den Folgen der anhaltenden Lügen- und Desinformationskampagne im Weißen Haus auseinandersetzen mussten."

Zumindest zum Zählen der Quote könne man ihn ja gebrauchen, witzelt man beim Sender ABC

Denn klar ist ja auch, dass die Nachrichtenabteilung des Senders ABC weiterhin über die Lügen aus dem Weißen Haus berichten muss, während derjenige, der sie einst maßgeblich verbreitete, sich nun unter dem eigenen Senderdach vor großem Publikum in Tango, Walzer oder Schuhplatteln üben darf.

Spicer sagte übrigens bei seiner Vorstellung als Tänzer, dass er über das Rhythmusgefühl einer Dampfwalze verfüge, was wohl in diesem Fall einmal nicht gelogen war. Moderator Bergeron meinte in Anspielung auf die Mengenangaben zu Trumps Amtseinführung bei Spicers erstem Auftritt, dass man den Kandidaten ja wenigstens brauchen könne, um die Quoten der Sendung zu verkünden.

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