Sportwetten:Blauer Brief aus Brüssel

Wettschein zur Abgabe von Sportwetten

Ein Wettschein für eine Sportwette. Gut sieben Milliarden Euro verwetteten die Deutschen 2018.

(Foto: Sina Schuldt/dpa)

EU-Kommission kritisiert die Regeln für das Glücksspiel.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Die Europäische Kommission hat schon früher nie verhehlt, wie unzufrieden sie mit den deutschen Regeln für das Glücksspiel ist. Nachdem sich die EU-Behörde in dieser Sache lange ruhig verhielt, hat sie jetzt wieder einen "blauen Brief" verschickt, datiert vom 30. Juli. Solche Briefe sind die erste Stufe hin zu einem Vertragsverletzungsverfahren. Und zu einem solchen wäre es in Sachen Glücksspiel beinahe schon einmal gekommen.

Einmal mehr geht es diesmal um Sportwetten. Die sind nämlich streng genommen immer noch nicht legal in Deutschland, obwohl sie es schon seit Jahren probeweise sein sollten. Das Schreiben der EU-Kommission bezieht sich auf den sogenannten dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag, der am 1. Januar 2020 in Kraft treten soll und auf den sich die für das Glücksspiel weitgehend zuständigen Bundesländer im März verständigt hatten. Er sollte die Sportwetten endlich aus der Grauzone holen. Denn den Markt gibt es längst: Gut sieben Milliarden Euro haben Menschen in Deutschland im vergangenen Jahr auf Sportereignisse verwettet.

Die Kommission bemängelt, dass Deutschland mit den neuen Regelungen die Geltungsdauer der Lizenzen verkürzt. Ursprünglich waren für eine erste Experimentierphase Sportwett-Lizenzen für 20 Anbieter und sieben Jahre geplant; ein EuGH-Urteil machte das zunichte. Das neue Gesetz verkürzt die Frist auf 18 Monate, mit der Option, die Erlaubnisse um drei Jahre zu verlängern. Aus Brüsseler Sicht wird die sogenannte Experimentierphase damit zu kurz. Sie führe womöglich dazu, dass Anbieter weiter ohne Lizenz Sportwetten anbieten. Es verringerten sich "die Anreize für einen Wechsel vom unregulierten in den regulierten Bereich", heißt es in dem Schreiben, das NDR und SZ vorliegt.

Für das Lizenzvergabeverfahren ist das Land Hessen zuständig. Dort sollen sich die Anbieter vom kommenden Jahr an um eine der zahlenmäßig nicht mehr begrenzten Konzessionen bewerben. Viele Angebote, mit denen sie derzeit um Kunden werben, könnten sie mit einer solchen Erlaubnis vergessen: Live-Wetten auf Ereignisse wie den nächsten Eckball oder das nächste Tor wären tabu. Auch das Einsatzlimit von 1000 Euro pro Spieler und Monat müssten sie einhalten. Die meisten Anbieter ignorieren die gesetzlichen Vorgaben dazu bislang, und seitens der Anbieter heißt es, diese seien auch nicht zu halten. Mit Blick auf den Jahreswechsel wird es also bemerkenswert sein zu sehen, wer sich den Regeln fügt. Das gilt vor allem für die Online-Casinos, die zahlreiche Wettanbieter gleichzeitig betreiben. Die sind definitiv illegal und bis auf Weiteres nicht erlaubnisfähig, für das Geschäftsmodell nicht weniger Anbieter aber unverzichtbar.

Die Bundesländer zeigen sich von dem Brief aus Brüssel unbeirrt. Ein Sprecher der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen erklärte, man kenne die Kritikpunkte der Kommission und diskutiere in den Ländern, wie damit umzugehen sei. "Die Stellungnahme enthält keine Gesichtspunkte, die Anlass geben könnten, an dem konkreten Inhalt des 3. Glücksspielstaatsvertrages etwas zu ändern", sagte der Sprecher. Nordrhein-Westfalen ist federführend bei der Ausarbeitung des neuen Glücksspielstaatsvertrags.

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