WM-Affäre:Sommermärchen vor Gericht

DFB Generalsekretär WOLFGANG NIERSBACH li und DFB Präsident THEO ZWANZIGER beide Deutschland a

Angeklagte: Die beiden Ex-DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach (links) und Theo Zwanziger (rechts).

(Foto: Martin Hoffmann/imago)
  • Die Aufarbeitung der WM-Affäre geht weiter: Das OLG Frankfurt lässt eine Klage gegen die drei früheren DFB-Funktionäre Niersbach, Schmidt und Zwanziger zu.
  • Kern des Verfahrens ist eine ungeklärte Millionen-Schieberei.
  • Franz Beckenbauer ist nur als Zeuge geladen - ihn erwartet ein gesondertes Verfahren.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Die Sommermärchen-Affäre um eine nicht geklärte Millionenzahlung im Kontext der Fußball-WM 2006 landet auch in Deutschland vor Gericht. Am Montag teilte das Oberlandesgericht Frankfurt mit, die Anklage gegen drei frühere Spitzenfunktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Theo Zwanziger, wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung zuzulassen. Zudem richtet sich das Verfahren gegen Urs Linsi, früher Generalsekretär des Weltverbandes Fifa. Damit revidiert das OLG die erste Instanz, die im Oktober 2018 eine Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt hatte.

Die Staatsanwaltschaft wirft den ehemaligen Funktionären vor, durch Abgabe einer falschen Steuererklärung 13,7 Millionen Euro an Steuern zugunsten des Verbandes hinterzogen zu haben. Im Kern geht es darum, dass eine im April 2005 erfolgte Zahlung über 6,7 Millionen Euro zu Unrecht als Beitrag zu einer Fifa-Gala und somit als Betriebsausgabe deklariert worden sei.

Für das Hauptverfahren ist das Landgericht Frankfurt zuständig. Wann es zur öffentlichen Verhandlung kommt, ist offen, es dürfte wohl mindestens bis Anfang 2020 dauern - zumal der Vorsitzende der zuständigen Kammer bald in Ruhestand geht, wie die SZ erfuhr. Den Angeklagten drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren. Für die vier früheren Funktionäre ist es bereits das zweite Verfahren, in dem sie sich verantworten müssen. Vor drei Wochen teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft mit, dass sie das Quartett wegen Betruges (Linsi, Schmidt, Zwanziger) beziehungsweise Beihilfe (Niersbach) anklagt, weil es bei der Zahlung der 6,7 Millionen Euro die Aufsichtsgremien getäuscht habe.

Warum es 2002 zu der Millionen-Transaktion nach Katar kam, ist weiter offen

Die Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück. "Weder die Tatsache noch der Inhalt des Beschlusses ändern etwas an der von hier aus vertretenen Rechtsauffassung, wonach die Vorwürfe gegen meinen Mandanten unbegründet sind", sagte Zwanzigers Anwalt Hans-Jörg Metz am Montag zum OLG-Entscheid. Die Anwälte der anderen Angeklagten äußerten sich nicht zum konkreten Beschluss. Im Laufe der seit einer Spiegel-Publikation im Herbst 2015 dauernden Ermittlungen bestritten sie den Vorwurf der Steuerhinterziehung aber schon mehrmals.

Im Kern der WM-Affäre steht eine Millionen-Schieberei, die im Sommer 2002 begann. Die zentrale Figur aus deutscher Perspektive: Franz Beckenbauer, Chef des WM-Organisationskomitees (OK). Damals landeten am Ende einer verschlungenen Transaktionskette zehn Millionen Schweizer Franken beim katarischen Fifa-Funktionär Mohammed bin Hammam. Ursprünglich ging der Geldkreislauf von einem Beckenbauer-Konto aus, letztlich sprang der vormalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus als Kreditgeber ein.

Es bestünden hinreichende Gründe dafür, dass allein Beckenbauer und nicht das WM-OK als Darlehensnehmer fungiert habe, heißt es im Eröffnungsbeschluss des OLG, welcher der SZ vorliegt. In der Tat erscheint die Aktenlage diesbezüglich eindeutig, beispielsweise durch interne Notizen von Louis-Dreyfus' Bank. Jahrelang drängte der Adidas-Chef damals auf die Rückzahlung des Kredits, aber das aus Beckenbauer, Schmidt, Zwanziger und Niersbach bestehende OK-Präsidium fand keine Lösung. Im April 2005 flossen dann 6,7 Millionen Euro (umgerechnet zehn Millionen Franken plus Zinsen) von einem DFB-Konto an die Fifa; deklariert als Beitrag für eine geplante, später abgesagte Eröffnungsgala. Der Weltverband reichte die Summe am selben Tag mit geändertem Verwendungszweck an Louis-Dreyfus weiter. Nach Aktenlage sei davon auszugehen, dass mit der Zahlung der 6,7 Millionen der Kredit getilgt werden sollte, so das OLG.

Franz Beckenbauer ist Zeuge - nicht Angeklagter

Warum es überhaupt 2002 zu der Millionentransaktion nach Katar kam, ist offen. Weder das Frankfurter noch das Schweizer Verfahren haben dies bisher klären können. Nach Aktenlage ist die wahrscheinlichste Variante, dass die Zahlung im Kontext eines TV-Rechtegeschäfts zu sehen ist. Die Kernperson Beckenbauer aber wird in der nächster Zeit nicht vor Gericht stehen. In der Schweiz, wo sich die Ermittlungen auch gegen ihn richteten, wurde sein Verfahren aus gesundheitlichen Gründen von dem gegen die anderen Funktionäre abgetrennt.

Im Frankfurter Verfahren ist er nur Zeuge und nicht Angeklagter, weil er mit der Abgabe der maßgeblichen Steuererklärung, die 2007 erfolgte, nichts zu tun hatte - und nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch nichts mit der unmittelbaren Umsetzung der Rückzahlung. Diese beruhe demnach auf einer Absprache von Schmidt, Zwanziger, Niersbach und Linsi.

Die Zulassung der Anklage durch das Oberlandesgericht ist eine durchaus bemerkenswerte neuerliche Volte in dieser Causa. Als die Staatsanwaltschaft im Vorjahr ihre Anklageschrift vorlegte, lehnte das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens noch ab. Das Argument: Aus Akte und Anklageschrift gehe hervor, dass die 6,7-Millionen-Zahlung im April 2005 eine Honorierung des offiziell ehrenamtlich tätigen OK-Chefs Beckenbauer gewesen sei. Das sei zwar ein anderer Grund als der im Überweisungsbetreff vermerkte, aber es sei, und nur darauf kommt es aus steuerrechtlicher Sicht an, auch eine absetzbare Betriebsausgabe. Die Staatsanwaltschaft verwahrte sich gegen diese Interpretation ihrer Anklageschrift und legte in der Berufung einen Schriftsatz mit veränderter Argumentation vor. Nun heißt es beim OLG: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Entlohnung Beckenbauers der Zahlungsgrund gewesen sei.

Und die Zahlung sei nicht betrieblich veranlasst. Die ehemaligen Funktionäre (und auch der DFB) brachten in den vergangenen Monaten verschiedene Gründe vor, warum die Zahlung als Betriebsausgabe zu sehen sei. Zudem gibt es von ihnen noch ein kompliziertes formales Argument, das, grob zusammengefasst, so lautet: Falls eine Steuerhinterziehung vorlag, dann nicht 2006, sondern 2005, also dem Jahr der 6,7-Millionen-Überweisung. Doch eine etwaige Steuerhinterziehung 2005 wäre schon verjährt.

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