Fünfseenland:Wenn Wildtiere durch die Ortschaften ziehen

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In Frieding hat ein Fuchs zwei Kinder in einem Zelt angegriffen. (Foto: dpa)

Füchse, Biber und Wildschweine rücken den Menschen immer weiter auf die Pelle. Nach dem Fuchs-Angriff auf zwei Mädchen in einem Garten warnen Experten aber vor Panikmache.

Von Christian Deussing, Starnberg

Füchse, Biber und Wildschweine rücken den Menschen im Fünfseenland immer weiter auf die Pelle. Nachdem ein Fuchs am Wochenende zwei achtjährige Mädchen in einem Zelt in Andechs angegriffen hat, warnen Experten vor Panikmache. Es sei allerdings zu beobachten, dass es vor allem Füchse immer öfter in Ortschaften ziehe, weil sie dort "angefüttert und habituiert" würden, sagt der Wildbiologe und Forstwirt Andreas König. Damit gewöhnten sich die Füchse an den Menschen, die durch das Fehlverhalten diese Tiere aus dem Wald anlockten, erläutert der Experte, der dieses Phänomen in der Starnberger Region untersucht hat.

Dies beziehe er aber nicht auf die Familie im Ortsteil Frieding, in deren Garten es der Fuchs auf das Zelt abgesehen hatte, in dem die beiden Mädchen übernachteten. Das Tier biss eines der Kinder sogar in die Hand, als es den Fuchs mit Schlägen gegen die Innenwand abwehren wollte. Erst nach einer Viertelstunde konnten die Eltern das offenbar sehr aggressive Tier abwehren. Der Fuchs flüchtete in den nahen Wald, der Vater brachte das verletzte Mädchen ins Krankenhaus. König vermutet, dass in diesem Fall ein Jungfuchs das Anwesen für sein Territorium gehalten und das Zelt mit den Mädchen als Eindringling angesehen habe - und nur sein Terrain verteidigen wollte.

Schuhräuber

Manche Füchse haben es offenbar nicht nur auf Küchenabfälle, Kaninchen und Hühner abgesehen: In Stockdorf verschwinden im Sommer 2012 immer wieder Garten-, Sport- und Wanderschuhe von den Terrassen. Später tauchen an die 50 einzelne Exemplare auf einem abgelegenen Gelände an der Würm wieder auf. Die Polizei hat keinen Zweifel, dass ein Fuchs zugeschlagen hat - auch dem damaligen Vizechef wird ein Schuh geklaut. Offenbar gefällt den Tieren der Geruch nach Salz vom Fußschweiß. Normalerweise werden Füchse den Menschen nur gefährlich, wenn sie Tollwut haben. Der bundesweit letzte Fall wurde jedoch 2006 bestätigt.

In die Fotofalle getappt

Die Tierkamera soll eigentlich Wildschweine ins Visier nehmen, doch im März 2016 tappt ein Wolf in die Fotofalle im nördlichen Landkreis - der Beweis, dass die Tiere auch ins Fünfseenland zurückkehren. Der genaue Ort bleibt geheim, um Rummel zu vermeiden. Wenige Tage später melden Anwohner einen Wolf in den Nähe von Kloster Andechs. Jäger warnen vor Panikmache, der junge Rüde auf Wanderschaft werde keine Menschen anfallen. Im April 2017 reißt ein Wolf in Sankt Heinrich am Starnberger See vier Schafe und wird anhand von genetischen Spuren der Speichelproben überführt.

Burgenbauer

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(Foto: Christian Schiller/oh)

Das Fünfseenland ist als Wohnort äußerst begehrt - nicht nur bei Menschen, sondern auch bei den Bibern. Sie haben sich längst an der Würm angesiedelt. Auch entlang des Lüßbachs am Ostufer des Starnberger Sees und am Ammersee bauen sie ihre Burgen. An der Herrschinger Kurpromenade tragen die Bäume ihretwegen neuerdings Drahthosen - und Herrschings Bürgermeister Christian Schiller lud kürzlich zur ersten Bibersafari. Mit dem Vorurteil, dass sich der Biber-Bestand unaufhörlich vergrößere, hat der Biberbeauftragte Franz Wimmer bei dieser Gelegenheit auch aufgeräumt. Denn die Tiere regeln ihren Bestand selbst.

Diese Attacke sei ein "unglaubliches Pech" gewesen und ein absolut ungewöhnlicher Fall, sagt auch der Starnberger Kreisjägerchef Hartwig Görtler zu dem nächtlichen Vorfall. Er rät dringend, Füchse nicht zu füttern und zum Beispiel keine Speisereste auf Komposthaufen zu werfen. Denn das hole sich der Allesfresser gerne ab. Generell sollten Wildtiere in Ruhe gelassen, Abstand von ihnen gehalten und nicht mit der Handykamera verfolgt werden, denn sonst könnten sich diese Tiere "sehr grantig" verhalten, betont Görtler. Das gelte vor allem bei Wildschweinen, dem nach seiner Meinung gefährlichsten Tier im Landkreis, das häufig Äcker durchpflügt. Sein Rat bei einer Begegnung mit dem Schwarzwild: "Nicht nähern oder vorbeigehen, sondern langsam zurückweichen."

Dass sich in der Region längst der Biber heimisch fühlt und sich auch an Seeufern ausbreitet, ist bekannt. Die Nager fällen nicht nur Bäume oder machen sich an Dämmen und Bootshäusern zu schaffen - sie beißen auch zu. Dies erfuhren vor einigen Jahren zwei Männer bei Stockdorf. Ein Kraillinger, der seinen Hunden beim Planschen in der Würm zuschaute, erlitt eine zwei Zentimeter tiefe Bisswunde. Bald darauf erwischte es einen Schwimmer: Ein Nager hatte mit rasiermesserscharfen Schneidezähnen in den Oberschenkel des 26-Jährigen gebissen. Aufsehen erregte ein Wolf, der vor drei Jahren im nördlichen Landkreis von einer Wildschweinkamera fotografiert worden war. Dem scheuen Tier werde aber das eher kleine und unruhige Revier im Fünfseenland sicher nicht behagt haben, glaubt Görtler.

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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