Kino:Zwei auf einen Streich

Mein Lotta Leben

Die Münchner Regisseurin Neele Vollmar im Gespräch mit ihren Hauptdarstellerinnen Meggy Hussong (rechts) und Yola Streese (links).

(Foto: Wild Bunch)

Neele Leana Vollmars Familienfilm "Mein Lotta-Leben" startet am Donnerstag im Kino. Im Winter folgt ihre Adaption von Bov Bjergs Bestseller "Auerhaus"

Von Barbara Hordych

Obwohl sie mit ihrer Familie mitten in Schwabing lebt und sich zum Gespräch in ihrem dortigen Lieblingscafé verabredet, bezeichnet sich die in Bremen geborene Regisseurin Neele Leana Vollmar als Landei: "Vielleicht kam mir auch gerade deshalb das Studium an der Filmakademie Ludwigsburg so entgegen", sagt Vollmar, deren quirliger Familienfilm "Mein Lotta-Leben - Alles Bingo mit Flamingo" nach der gleichnamigen Bestseller-Kinderbuchreihe von Alice Pantermüller an diesem Donnerstag im Kino startet. "Erst bin ich für mein Studium nach Stuttgart gezogen; nach drei Monaten habe ich aber gemerkt, dass es besser ist, ganz nach Ludwigsburg zu ziehen. Man hat nur sich", sei das Gefühl gewesen, das alle Studenten dort vereint habe. "Es ist wie ein Dorf, mit einer Kneipe, einem Hof, auf dem man sich trifft und gemeinsam Musik macht. In Berlin oder München gehen alle nach dem Unterricht ihrer Wege, dort aber blieb man mit den anderen filmbegeisterten Leuten zusammen. Die Kontakte aus dieser Zeit haben sich bis heute gehalten."

Landeier sind gewissermaßen auch die Jugendlichen in Vollmars Verfilmung von Bov Bjergs Roman "Auerhaus", der im Winter in die Kinos kommt. "Mir war es sehr wichtig, ihn tatsächlich mitten in der Pampa im hessischen Nirgendwo zu drehen, um dem Lebensgefühl dieser Jugendlichen, die in den Achtzigerjahren in der Provinz eine WG gründen, möglichst nahe zu kommen." So sehr, wie sie es genossen habe, bei "Auerhaus" mit hoch talentierten deutschen Nachwuchsstars wie Max von der Groeben ("Fack ju Göhte"), Luna Wedler und Damian Hardung ("Das schönste Mädchen der Welt") zu arbeiten, war es in der Rückschau doch ein Jahr, das sie an ihre Grenzen gebracht habe: "Die Dreharbeiten für ,Auerhaus' auf der einen Seite, die Postproduktion von ,Lotta' auf der anderen Seite. Mittendrin noch mein sechsjähriger Sohn, dem ich auch gerecht werden wollte und der immer mit auf Reisen war."

Bereits mit ihrem Diplomfilm machte Vollmar auf sich aufmerksam: Sie erhielt die Sondergenehmigung, ihn als Langfilm zu drehen, komplett finanziert vom ZDF. "Urlaub vom Leben" avancierte 2005 zum Eröffnungsfilm der Internationalen Hofer Filmtage, ebnete ihr den Weg ins Filmgeschäft. Es folgten die Filmkomödie "Maria, ihm schmeckt's nicht" (2009) nach dem Bestseller von Jan Weiler und die zwei unter anderem mit dem Deutschen Filmpreis bedachten Verfilmungen von Andreas Steinhöfels Kinderromanen "Rico, Oskar und die Tieferschatten" (2014) sowie "Rico, Oskar und der Diebstahlstein" (2016).

Eigentlich hatte sie nach diesen beiden Filmen entschieden angekündigt: Das nächste Projekt wird kein Familienfilm mehr. "Es ist diese besondere Arbeitsweise, wenn man mit Kinderdarstellern arbeitet: viel Zeitdruck, da man nur fünf Stunden am Tag drehen darf. Auch die klassischen Proben gibt es in diesem Sinne nicht." Die Zeit vor dem Dreh ist für Vollmar eine der wichtigsten. Immer wieder hat sie sich mit den Kindern getroffen, um sie besser kennenzulernen. "Das ist wichtig, damit die Kinder später das Vertrauen haben, mir alles zu sagen, was sie bewegt, wenn wir drehen", erklärt Vollmar. Doch trotz guter Vorbereitung bleibe ein Kind am Set immer ein Kind. Das habe seine guten, aber auch seine anstrengenden Seiten.

Aber dann kam Lotta. "Robert Marciniak von der Münchner Lieblingsfilm, mit denen ich schon die "Rico und Oskar"-Filme realisiert hatte, fragte mich, ob ich mir das Projekt vorstellen könnte", sagt Vollmar. Sie schaute sich die Bücher um die eigenwillige und fantasievolle Lotta an und war rundum begeistert. "Lotta und ihre Freundin Cheyenne sind sehr selbstbewusste Charaktere mit einem eigenen Zugang zur Welt. Sie sind so, wie ich es mir für Kinder wünsche: Sie haben ihre eigene Meinung und stehen dazu. Auch wenn sie in unserem Film zwischendurch sehr bekümmert darüber sind, nicht auf die Party ihrer tussihaften Klassenkameradin Berenike von den ,(G)lämmergirls' eingeladen zu sein".

Da die Bücher bereits sehr bekannt sind, stand für sie sofort fest, dass die Charaktere von unbekannten Darstellern verkörpert werden sollten. "Wir starteten Aufrufe in Köln, München und Berlin, ich klebte selbst Schilder in Schulen und in Eisdielen. Wir forderten die interessierten Kinder auf, sich mit selbst gedrehten Videos bei uns zu bewerben. In den Clips sollten sie erklären, welche Rolle sie spielen möchten und warum sie fänden, dass sie genau die richtigen dafür seien." Mehr als 1000 Filme bekamen sie zugeschickt.

Mein Lotta Leben

Die Münchner Regisseurin Neele Vollmar im Gespräch mit ihren Hauptdarstellerinnen Meggy Hussong (rechts) und Yola Streese (links).

(Foto: Wild Bunch)

Yola Streese, die Darstellerin der nassforschen Cheyenne, die mit ihrer alleinerziehenden Mutter, einer kleinen Schwester und sehr vielen Kaninchen in einer Mietskaserne wohnt, stand sehr schnell fest. Auch die Darstellerin ihrer kleinen Schwester Chanel fand sich praktisch von selbst. "Kurioserweise gerade durch einen Fehler: Wir hatten bei einem Aufruf in einer Kinderzeitschrift genau diese Rolle vergessen", erinnert sich Vollmar. Trotzdem erreichte sie das Video von Cara Fondey, die erklärte: "Ihr habt die kleine Schwester Chanel vergessen, dabei ist sie sehr wichtig, und das ist genau die Rolle, die ich spielen will." Nach der Titelheldin indes mussten sie am längsten suchen. Schließlich machte Meggy Hussong aus Eckernförde das Rennen. "Sie besitzt eine wahnsinnige in sich gekehrte Kraft und ist gleichzeitig wunderbar unbekümmert und offen."

Durch ihre Lotta-Augen habe sie noch einmal das Dilemma erlebt, in dem Kinder sich oft befänden. Welches Dilemma? "Das fängt schon bei der Schulranzen-Wahl an, wie mir jetzt bei meinem Sohn wieder bewusst wurde", sagt Vollmar. Entweder nehme man eines der fünf Motive dieser einen bekannten Marke, die dann alle hätten. Oder man entscheide sich für einen ganz anderen Ranzen, wie sie früher als Kind oder wie heute ihr Sohn. Der fand einen in Uni-Dunkelblau am schönsten und wollte selber etwas darauf basteln. "Genau das will ich mit ,Lotta' erreichen: Kinder, die ja einerseits immer so sein wollen wie die anderen, wie die Gruppe, in dem Selbstbewusstsein zu stärken, zu ihren eigenen Entscheidungen zu stehen."

Was plant sie als nächstes? "Erst einmal ein Jahr Pause vom Drehen. In dieser Zeit möchte ich aber ein eigenes Drehbuch schreiben." Welches Genre würde Sie reizen? "Ich lege gerne den Fokus auf Zwischenmenschliches, lasse mich von den Absurditäten des Alltags inspirieren. Aber auf keinen Fall sollte es eine reine Komödie sein. Mich interessiert ein Stoff, der das Traurige nicht verleugnet, wie beispielsweise ,Auerhaus'. Da spielt auch der Tod mit hinein."

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