Kurzkritik:Zauberhaft

"Das Gespenst von Canterville" der Kammeroper München

Von Thomas Jordan

Tragikomödien sind eine gewagte Sache. Der Grenzgang zwischen dem Ernsten und dem Heiteren kann gewaltig schiefgehen: wenn beide Ebenen nicht zueinander finden, oder Klamauk jede inhaltliche Substanz zunichte macht. All das ist bei der Premiere der Oper "Das Gespenst von Canterville" am Mittwochabend im Hubertussaal auf Schloss Nymphenburg nicht passiert. Ganz im Gegenteil. Es ist ein großes Glück, zu erleben, was der Regisseur Dominik Wilgenbus und der Arrangeur Alexander Krampe zum 15-jährigen Bestehen der Kammeroper München auf die Bühne bringen.

Hier gelingt es, das Abgründige im Komischen herauszuarbeiten. Etwa wenn die grotesk gutgelaunten amerikanischen Zwillinge Stars and Stripes (Elisabeth Freyhoff und Jakob Schad) mit Blasrohren Jagd auf das aus der Zeit gefallene Schlossgespenst Sir Simon (Thomas Lichtenecker) machen. Im schönsten Schreckensornat mit Totenkopfstab, Leinenhemd und weiß gefärbten Haaren versucht Lichtenecker, einen letzten Rest elisabethanischer Gespensterwürde zu bewahren. Und kann doch nur scheitern. Das ist gewitzt arrangiert: die musikalische Überwältigung des Alten durch das Neue mithilfe des ploppenden Marimba-Schlegelklangs - einem Instrument der neueren europäischen Musik, das wie ein Blasrohr klingt.

Überhaupt speist sich der Zauber daraus, den von George Gershwin inspirierten Gesangsnummern die Klänge John Dowlands und Henry Purcells entgegenzuhalten. Mit jedem Barockakkord nistet sich altenglische Düsternis tiefer in das amerikanische Familienidyll ein. Seinen Höhepunkt erreicht das im zweiten Akt. Thomas Lichteneckers präzise timbrierter Countertenor entfaltet bei Henry Purcells Hymne an die Einsamkeit im Duett mit Flore van Meerssche eine innere Leuchtkraft, dass man beinahe versucht ist, wieder an Gespenster zu glauben.

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