Bogenhausen:Tatsachen schaffen, dann reden

Erst wenn feststeht, ob die Gleistrasse zwischen Daglfing ebenerdig, in einem Trog oder im Tunnel geführt wird, will die Deutsche Bahn AG die Bewohner im Viertel informieren. Die Bürger hätten so auf die Entscheidung keinen Einfluss

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Die Deutsche Bahn wird die Bogenhauser erst über den viergleisigen Ausbau der Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen informieren, wenn die Grundsatzentscheidung schon gefallen ist - ob die Züge dort künftig ebenerdig, in einem Trog oder einem Tunnel unterwegs sind. Das Projekt soll den Güter- und S-Bahn-Verkehr entflechten und ist die Basis für eine Expressverbindung zum Flughafen. Die Stadt favorisiert eine Tunnellösung für die Schienenstränge und ist bereit, die Mehrkosten dafür zu tragen, weil sie dann östlich der Bahnlinie ein neues Stadtviertel entwickeln könnte. Eine oberirdische Bahntrasse mit vier statt zwei Gleisen oder ein Trog würde die Schneise durch den Stadtbezirk jedoch verbreitern. Es ist also nachvollziehbar, dass Bürger und Lokalpolitiker interessiert, was genau vor ihrer Haustür nun gebaut wird.

Doch der Forderung des Bezirksausschusses (BA) Bogenhausen nach frühzeitiger Bürgerbeteiligung noch vor der Auswahl der Bauvariante haben Vertreter der DB Netz AG nach Auskunft der BA-Vorsitzenden Angelika Pilz-Strasser (Grüne) eine Absage erteilt. Die Bahn wolle beim ursprünglichen Zeitplan bleiben und erst im vierten Quartal 2019 eine Veranstaltung mit den Bürgern ansetzen. "Wenn Stadt und Bahn schon ihre Entscheidungen getroffen haben, dann ist das für mich aber nur noch eine Bürgerinformation", kritisiert sie. Die Bogenhauser hätten dann keine Möglichkeit mehr, Einfluss zu nehmen.

Bogenhausen: Truderinger Spange und Daglfinger Kurve, wozu die Anwohner Vorschläge unterbreitet haben, lassen sich laut Bahn nicht gleichzeitig mit der Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen verwirklichen.

Truderinger Spange und Daglfinger Kurve, wozu die Anwohner Vorschläge unterbreitet haben, lassen sich laut Bahn nicht gleichzeitig mit der Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen verwirklichen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Auch in Trudering, wo das andere große Schienen-Bauprojekt im Münchner Osten angesiedelt ist, die Truderinger und Daglfinger Kurve (TDK), gibt es Klagen über mangelnde Dialogbereitschaft der Bahn. Bei der TDK geht es um die Modernisierung eines Güterverkehrsknotens: Die Bahn will die Gleiskurve zwischen Daglfing und Riem zweigleisig ausbauen, in einen Trog verlegen und die eingleisige Verbindungskurve zwischen Trudering und Riem modernisieren. Zudem soll die eingleisige Truderinger Spange zwischen Trudering und Daglfing ein zweites Gleis bekommen. Anwohner haben einen alternativen Trassenvorschlag ausgearbeitet, für dessen Prüfung sie politische Unterstützung bis hin zur Bundesebene bekamen. Die Bahn hat inzwischen eine Untersuchung zugesagt. Weil das noch dauert, fällt aber die den Bürgern und Bezirksausschüssen für den Herbst versprochene Infoveranstaltung aus. Erst 2020 soll es für die Anwohner wieder Informationen geben. Vorgesehen ist dafür erneut ein kleinteiliges Konzept mit Infotafeln und Einzelgesprächen statt einer großen Runde. Damit hat die Bahn nach einem missratenen Versuch im April schon einmal Kritik geerntet.

Beide Projekte im Interesse der Anwohner parallel zu entwickeln, kommt aus Sicht der DB Netz AG auch nicht infrage. Der BA Bogenhausen hatte dies einstimmig gefordert. In dem von der CSU formulierten Antrag heißt es, der gewünschte Tunnel werde nach momentaner Planung wohl nicht vor 2040 errichtet, die TDK aber voraussichtlich bis 2030 gebaut. Dadurch entstehe "bis kurz vor der Haltestelle Daglfing" ein Trog, und ohne den Tunnel sei massiver Lärm zu erwarten. Außerdem werde der Güterverkehr nach dem Ausbau der Kurven stark zunehmen, die Schranken in Daglfing und Englschalking seien dann noch länger geschlossen als heute.

Bahnhof Daglfing

Die Bahn-Strecke durch Daglfing.

(Foto: Florian Peljak)

Eine gemeinsame Realisierung sei aber nicht umsetzbar, erwidert die Bahn. Die Daglfinger Kurve müsse zur Entflechtung von Güter- und Personenverkehr "möglichst zeitnah" zur zweiten Stammstrecke fertig werden, auf der nach heutigem Zeitplan 2028 S-Bahnen rollen sollen. Beim viergleisigen Ausbau hänge die Fertigstellung von der Bauvariante ab. Ebenerdige Gleise könnten 2032 befahrbar sein, ein Tunnel "jedoch nicht vor 2037".

Entsprechend den Zeitplänen sei man mit den Projekten "in unterschiedlichen Planungsphasen". Beim viergleisigen Ausbau gehe es gerade erst um die Variantenauswahl, die TDK jedoch sei schon "mitten in der Entwurfsplanung". Schallschutz werde es bei beiden Projekten geben, versichert die Bahn. Wie er aussieht, stehe noch nicht fest. Die Bahnübergänge in Englschalking und Daglfing würden nach Beginn des viergleisigen Ausbaus beseitigt. Dass es nach Inbetriebnahme der Daglfinger Kurve dort für eine Übergangszeit zu längeren Schließzeiten der Schranken kommen wird, räumt die Bahn ein. "Dieser vorübergehende Zustand" werde "durch Einsatz moderner Leit- und Sicherheitstechnik" auf das unbedingt notwendige Maß reduziert.

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