Hongkong:Maßlos

Der brutale Druck aus China soll der Stadt ihre Seele rauben, zu der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gehören.

Von Lea Deuber

Mitarbeiter werden entlassen, wenn sie ihr Recht auf Meinungsfreiheit einfordern. Menschen werden verprügelt, wenn sie ihr Recht auf Versammlungsfreiheit einklagen. Kinder werden verhaftet, wenn sie für ihre Zukunft friedlich auf die Straße ziehen. Das ist der Alltag im Hongkong dieser Tage.

Und damit nicht genug. Am Freitag ließ die Polizei wichtige Mitglieder der Protestbewegung zwischenzeitlich festnehmen. Seit Beginn der Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone wirken die Einsatzkräfte überfordert. Sie haben im Umgang mit den Demonstranten jedes Maß verloren. Auf der Straße regiert Willkür. Was in Hongkong passiert, hat vielerorts nur noch wenig mit einem Rechtsstaat zu tun. Die Festnahmen von politischen Figuren mit unmarkierten Fahrzeugen kostet weiter Vertrauen.

In Festlandchina dient das Recht schon lange allein den Zwecken der Partei. In Hongkong war das bisher anders. Die Stadt ist seit 22 Jahren Teil der Volksrepublik. Doch hat sie immer ihren Geist bewahrt. Rechtsstaatlichkeit und Freiheit sind nicht nur rational betrachtet das Geschäftsmodell. Sie machen auch die Seele der Stadt aus. Schon jetzt ist die Hongkonger Gesellschaft nach Wochen des Protests tief zerrissen. Anstatt mit Notstandsgesetzen und neuer Gewalt zu drohen, sollte die Regierung unter Carrie Lam endlich auf Entspannung setzen. Regiert in Hongkong die politische Willkür, ist die Stadt bald nur noch das, was Peking aus ihr machen will: eine chinesische Stadt unter vielen.

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