Kunst zum Riechen:Immer der Nase nach

Präparierte Masken laden die Besucher der Galerie Lochner zu einer Geruchsexpedition ein. Schon früher wurden Düfte in der Kunst eingesetzt

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Wir werden gerade mal wieder von einer Duftwelle überflutet: Unparfümierte Waschmittel sind eine Rarität geworden, in den Kaufhäusern umweht uns permanent eine kaum oder gar nicht wahrnehmbare konsumfördernde Geruchswolke, und die heimischen Duftöllampen sind wieder schwer im Kommen. Angesichts dieser und vieler weiterer olfaktorischer Sündenfälle müssten doch auch Geruch und Kunst längst eine wie auch immer geartete Verbindung eingegangen sein. Schließlich weiß man inzwischen, dass unser Geruchssinn unmittelbar auf unsere Hirnfunktionen einwirkt und Auslöser für so ziemlich alles Mögliche und Unmögliche ist.

Darüber und wie sich "Der Geruch in der zeitgenössischen Kunst" seinen Platz erduftet oder auch erstunken hat, gab es am vergangenen Donnerstag in der Galerie Lochner einiges zu erfahren. Dort ist im Rahmen der großen KVD-Freiluftausstellung "Raus" derzeit "mask" von Camilla Nicklaus-Maurer und Eva Zenetti zu sehen. Das sind vier holzgeschnitzte Masken, befestigt auf unterschiedlich hohen Stangen und ganz unterschiedlich beduftet. Um in den jeweiligen Geruchsgenuss zu kommen - er ist tatsächlich ein solcher - muss sich der Körper raus aus seiner mehr oder weniger aufrechten Form bewegen, sich bücken, krümmen und recken. Das Ergebnis: Längst vergrabene Erinnerungen werden wach, eine Flut unterschiedlichster Gefühle überschwemmt einen. Camilla Nicklaus-Maurer ist seit Langem diesem Phänomen auf der Spur. Sie ist auch für die Beduftung der von Eva Zenetti geschaffenen Holzmasken zuständig. Und sie spannt einen weiten Bogen in Sachen Geruch und Kunst. Dieser reicht von duftenden Opfergaben im alten Ägypten bis zur ironischen, geruchsintensiven Umsetzung der amourösen Eskapaden eines früheren US-Präsidenten mit dem bezeichnenden Namen "Bill".

Der Geruch in der Kunst

Camilla Nicklaus-Maurer referiert in der Galerie Lochner über den Geruch in der Kunst.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Diese Einblicke in die künstlerische Auseinandersetzung mit einem so flüchtigen Stoff wie den Duftmolekülen sind teilweise ziemlich spaßig. So gilt in der Moderne beispielsweise der Konzeptkünstler Marcel Duchamp (1887-1968) als Pionier auf dem Gebiet der Geruchskunst. Man muss schließlich erst einmal auf die Idee kommen, seinem New Yorker Sammler und damit auch Finanzier eine Apotheker-Phiole "Air de Paris" mitzubringen. "Hätte er die Kunst genießen wollen, wäre die Kunst weggewesen", sagt Camilla Nicklaus-Maurer, weil sich "Air de Paris" mit dem Öffnen der Phiole buchstäblich in Luft aufgelöst hätte.

Dass solche Experimente mit der Geruchskunst nicht immer auf Verständnis beim Publikum stießen, beweist eine Aktion von Carl Sadakichi Hartmann (1867-1944). Er wollte 1902 mit "A Trip to Japan in sixteen Minutes" seine Zuschauer mittels Gerüchen und einem Ventilator auf Reisen schicken. Ging gar nicht, weil die Erwartungen ganz anderer Natur waren. Späte Genugtuung für Hartmann: Heute ist ein Preis nach ihm benannt, mit dem unkonventionelle Parfumkompositionen ausgezeichnet werden.

Der Geruch in der Kunst

Camilla Nicklaus-Maurer referiert in der Galerie Lochner über den Geruch in der Kunst

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Erst einmal eklig hört sich dagegen die Geschichte an, wie ein Geruchskünstler seine Exkremente in einer Dose verpackt und vermarktet hat. Was schon beim Zuhören eindrücklich zeigt: "Der Film, der im Kopf abläuft, ist Teil der Geruchskunst." So wie bei den Projektionen eines Daueraufregers in der Kulturszene, Hermann Nitschs "Orgien-Mysterien-Theater". Da kann einem schon bei den Geruchsassoziationen dieses blutigen Schauspiels übel werden.

So stellt sich die kaum zu beantwortende Frage, wie ein schon vom italienischen Arte-Povera-Künstler Mario Merz (1925-2003) angedachtes Geruchsmuseum realisiert werden könnte. Denn der Spezies der Geruchskünstler gebührt sehr viel mehr Aufmerksamkeit als das bislang der Fall ist. Das könnte vielleicht sogar dazu beitragen, die unheimliche manipulative Gewalt von Duft und Geruch besser einzuschätzen und womöglich ein Mittel gegen den um sich greifenden Missbrauch zu entwickeln. Doch bis dahin lässt sich wenigstens am schöneren Teil der Geruchswelt schnuppern. Denn "mask" ist noch bis zum kommenden Sonntag in der Galerie Lochner zu erleben - mit den Augen, aber vor allem mit der Nase. Öffnungszeiten Samstag, 31. August, 15 bis 19 Uhr und Sonntag, 1. September, von 12 bis 18 Uhr.

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