Nachruf:Ulrich Wotschikowsky ist gestorben

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Erst vor zwei Wochen hat sich Ulrich Wotschikowsky noch einmal zu dem völlig verfahrenen Streit zwischen Förstern, Jägern und Tierschützern um die Gämsen in den bayerischen Bergen geäußert. Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) hatte gerade erste Ergebnisse eines groß angelegten Forschungsprojekts über die Gämsen in Bayern veröffentlicht. Entgegen der Behauptungen vieler Tierschützer und Jäger geht es den Tieren demnach gut. "Das trifft sicher zu", kommentierte Wotschikowsky, der da schon sehr geschwächt war, die Meldung. "Aber es ist ohne Belang. Denn in der Jagd und im Tierschutz ist es wie im Leben insgesamt: Wer unbedingt streiten will, der streitet - egal wie die Wirklichkeit aussieht."

Es waren typische Wotschikowsky-Worte. Der Jäger, Förster und Wildbiologe, der einer der profiliertesten Experten für Wolf, Bär und Luchs im deutschsprachigen Raum war, sprach die Dinge stets direkt aus. Wotschikowsky oder Wotsch, wie ihn seine Freunde riefen, konnte sich das erlauben. Mit seinen Forschungen über alle möglichen Wildtiere hatte er sich ein immenses Wissen erarbeitet. Zugleich war er ein unabhängiger Geist, er ließ sich von keinem Verband und keiner Partei vereinnahmen. Verpflichtet fühlte er sich einzig den Wildtieren - allen voran den beiden Rückkehrern Luchs und Wolf. "Sie sind da, weil sie da sind, weil sie uns der Schöpfer gegeben hat - oder die Natur oder die Evolution", sagte er einmal in einem Fernseh-Interview. "Wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sie zu erhalten." Die Zustimmung zu Wotschikowky war genau so stark wie die Ablehnung - bei Jägern und Förstern ebenso wie bei Tier- und Naturschützern und in den Umweltbehörden.

Wotschikowsky, Jahrgang 1940, wurde nahe dem brandenburgischen Cottbus geboren. Als Kind kam er mit seinen Eltern nach Bayern, genau gesagt nach Hohenschwangau. Die Jahre dort prägten ihn, in der dortigen Bergwelt entwickelte sich seine lebenslange Begeisterung für die Natur. In den Sechzigerjahren studierte Wotschikowsky Forstwissenschaften, danach trat er in die Forstverwaltung des Freistaats ein. 1973 wurde er stellvertretender Leiter des wenige Jahre zuvor gegründeten Nationalparks Bayerischer Wald. Der Staatsdienst passte nicht wirklich zu dem Freigeist, 1978 verließ er ihn. Nach einem Intermezzo bei einer Jagdzeitschrift arbeitete Wotschikowsky, der bis zuletzt in Oberammergau lebte, seit 1983 als freiberuflicher Wildbiologe vor allem über Jagd und Große Beutegreifer, wie Wolf, Bär und Luchs auf Experten-Deutsch heißen. Am Freitag ist Ulrich Wotschikowsky nach schwerer Krankheit gestorben.

© SZ vom 02.09.2019 / cws - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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