Merkel und Lagarde:Kartoffelsuppe und Entrecôte

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Arm in Arm: Kanzlerin Merkel und die künftige EZB-Präsidentin Lagarde. (Foto: AP)
  • Am Samstag hielt die designierte EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine Laudatio auf Angela Merkel und nannte sie eine "liebe Freundin" und eine Inspiration.
  • Die Beziehung zwischen den beiden Politikerinnen gilt als eng, die Französin war Finanzministerin unter Nicolas Sarkozy, 2011 stieg sie zur Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF auf.
  • In Stilfragen mögen sich die beiden unterscheiden, politisch haben sie jedoch einiges gemein, zum Beispiel ein ausgeprägtes Machtbewusstsein.

Von Cerstin Gammelin

Man hört ja oft, dass wirkliche Freundschaften unter Politikern nicht möglich sein sollen. Was bisher - einfach des Führungspersonals wegen - vor allem Erfahrungen mit männlichen Politikern geschuldet war. Aber was ist mit mächtigen Frauen? Am Samstag in Leipzig konnte man zumindest auf den Gedanken kommen, dass es unter mächtigen Frauen auch freundschaftlich-belastbare Bande gibt. Angela Merkel stand da auf der Bühne der Handelshochschule Leipzig, um ihre Sammlung an Ehrendoktorwürden zu vergrößern; der Bundeskanzlerin wurde der Titel einer Dr. rer. oec. H. c. verlieren, einer promovierten Wirtschaftswissenschaftlerin ehrenhalber. Die ostdeutsche Hochschule hatte schon mit dem Anlass der Ehrung - Merkels politischer Führungsstil - für einen freundlichen Akkord gesorgt. Aber das war nicht alles. Sie hatte mit Christine Lagarde noch dazu eine langjährige Weggefährtin - und eine der weltweit besten Rednerinnen eingeladen, um die Laudatio zu halten.

Angela Merkel und Christine Lagarde - das sind derzeit die zwei mächtigsten Frauen Europas. Wenn alles wie geplant läuft, werden sie noch einige Zeit an entscheidenden Positionen miteinander zu arbeiten haben. Merkel als deutsche Bundeskanzlerin. Die Französin Lagarde ab November als Präsidentin der Europäischen Zentralbank. Man darf davon ausgehen, dass es nicht mehr so gelöst zugehen wird wie am Samstag in Leipzig, als Lagarde ihre "liebe Freundin" lobte, sie sei eine Inspiration für sie gewesen. "Sie weiß das nicht, aber sie war es".

Die Freundschaft steht vor neuen Herausforderungen

Mit dem Inspirieren wird es dann nicht mehr so einfach sein. Die gemeinsame Geldpolitik der Europäer ist ziemlich unter Druck, gerade in Deutschland. Die extrem niedrigen oder negativen Zinsen graben sich in das alltägliche Leben der Bundesbürger, nicht nur der Sparer. Merkel muss schon von Amts wegen die Lage mit Lagarde besprechen. Am liebsten wäre es den Deutschen, die Zinsen wieder wie früher als Sparanreiz betrachten zu können. Eine Idee, die Lagarde nur inspirieren dürfte, wenn es die gesamteuropäischen Umstände zulassen.

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Am Samstag in Leipzig war von den künftigen Aufgaben freilich nichts zu spüren. Man sah zwei Frauen, die vertraut miteinander umgehen. Das liegt natürlich an den gemeinsamen beruflichen Erfahrungen. Man kennt sich seit vielen Jahren. Merkel war da immer schon Bundeskanzlerin. Lagarde fing als Wirtschafts- und Finanzminister unter dem damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy an, wechselte im Sommer 2011 dann als Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF nach Washington. Merkel hat die Jahre der europäischen Finanz- und Eurokrise geprägt. Lagarde hat von Washington aus getan, was sie konnte, um den Europäern beizustehen.

Lagarde kauft teure Mode, Merkel gilt als unprätentiös

Gewachsen ist das Vertrauen aber auch, weil der persönliche Karriereweg bei beiden Damen außergewöhnlich war. Natürlich, wer sie so zusammen sieht, dem fallen zunächst die Unterschiede auf. Beide sind im gleichen Alter - könnten aber unterschiedlicher kaum auftreten. Merkel, die Naturwissenschaftlerin, verbreitet kaum Glamour; sie ist unprätentiös und auch keine besonders mitreisende Rednerin. Man nimmt ihr ab, dass sie gerne in die Uckermark fährt und Kartoffelsuppe kocht. Wer Lagarde anschaut, dem fällt eher französisches Entrecôte ein. Die Juristin kauft bei den einschlägigen heimischen Modelabeln ein, ist immer elegant angezogen - und bringt so gut wie kaum jemand sonst in ihren Reden die Dinge auf den Punkt. Merkels Führungsstil, sagt sie Leipzig in ihrer Laudation, sei geprägt von den vier D: Diplomacy, Diligence, Determination und Duty. Also: Diplomatie, Sorgfalt, Entschlossenheit und Pflichtbewusstsein. Kann da jemand widersprechen? Nein.

Was die beiden Damen verbindet, ist, dass sie beide bereit waren, Macht anzustreben - und als Außenseiter ihre Chance nutzten. Als die CDU wegen der Spendenaffäre in der Krise war, hat die Ostdeutsche Merkel es gewagt, die CDU von Helmut Kohl wegzuführen. Als der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn über eine heftige Affäre stolperte, nutzte Lagarde die Chance, das Amt zu übernehmen.

Man darf davon ausgehen, dass die längste Zeit ihrer gemeinsamen politischen Karriere hinter ihnen liegt. Lagarde soll planmäßig acht Jahre im Amt bleiben. Merkel hat noch längsten zwei Jahre bis zu ihrem geplanten Abschied aus dem Kanzleramt. In Leipzig deutete sie an, dass es für das Danach durchaus Pläne gibt: "Alle Universitäten, die mir einen Ehrendoktor gegeben haben, werden sowieso noch von mir hören, wenn ich nicht mehr Bundeskanzlerin bin", sagte sie in Leipzig. Nicht auszuschließen also, dass sich beide Damen mal im Hörsaal treffen.

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