SZ-Serie: Nachtgeschichten:Wenn die Kinder Party machen wollen

SZ-Serie: Nachtgeschichten: Ins Crash darf man schon mit 16 rein. Diesen Luxus für Jugendliche bieten nur wenige Münchner Clubs.

Ins Crash darf man schon mit 16 rein. Diesen Luxus für Jugendliche bieten nur wenige Münchner Clubs.

(Foto: Robert Haas)

Wenn Söhne und Töchter alleine unterwegs sind, beunruhigt das viele Eltern. Ein paar einfache Regeln können das ändern.

Von Sabine Buchwald

Warum finden es manche Jugendliche nur so cool, wenn die Party am Flaucher erst am nächsten Tag endet? Oder warum müssen sie unbedingt nach Schwabing ins Crash oder die Alte Galerie, wenn sie gerade 16 geworden sind? Solche Fragen stellen sich Eltern immer wieder, sobald ihre Kinder anfangen, nachts auszugehen. Die Konsequenz sind oft strenge Regeln bis hin zum Ausgeh-Verbot. Wer eine gesellige Tochter hat, kennt das Gefühl der Erleichterung, wenn sich endlich der Schlüssel im Schloss der Wohnungstür dreht. Auch ein spätes Brummen des Sohnes nimmt man mit Beruhigung zur Kenntnis. Es kann doch so viel passieren nachts in einer großen Stadt. Wie schön wäre es doch, denkt man in solchen Momenten, wenn man auf dem Land wohnen würde, wo es weniger Verkehr, weniger Menschen und weniger Verbrechen gibt. Oder?

München gilt als sicherste Großstadt Deutschlands. Seit 43 Jahren schon trägt die Stadt diesen Titel, wie der aktuelle Sicherheitsreport der Münchner Polizei verrät. Doch die harten Zahlen sind nur eine Seite der Medaille. Eine Welt, in der in Tiefgaragen die Parkplätze am Ausgang den Frauen vorbehalten sind, impliziert, dass man sich gefährdet fühlen muss. Die Unsicherheit der Erwachsenen übertragt sich schnell auf die Kinder und ihre eigene Erziehung. Wer im Minirock rausgeht, ist selbst schuld, wenn was passiert? Solche Sprüche haben viele Mütter in ihrer Jugend auch gehört. Kein Mädchen, keine Frau trage eine Mitschuld, wenn sie überfallen wird, sagen hingegen die Expertinnen von Amyna, der Münchner Fachstelle für Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt. Egal, wie tief der Ausschnitt ist und wie hoch der Rock rutscht.

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"Die Straftaten gehen zurück, aber das subjektive Sicherheitsgefühl nimmt ab", sagt Cordula Weidner von der Beratungsstelle des Münchner Frauennotrufs. Die Sozialpädagogin schiebt die Verunsicherung auf die zunehmende Enge in der Stadt. Mit der Bevölkerungszahl wachse gleichzeitig das Gefühl, es könne etwas passieren. Interessant: Die Angst von Frauen sei meist eine andere als die von Männern, so Weichsner. Männer hätten Angst, provoziert und beraubt zu werden. Frauen fürchteten sexuelle Übergriffe oder gar getötet zu werden. Jede kennt schließlich das mulmige Gefühl, wenn man nachts von gleich zwei Typen in kurzer Entfernung von der U-Bahn-Station zufälligerweise bis zur eigenen Haustür nach Hause "begleitet" wird. Wenn man im dunklen Park blöd von der Seite angesprochen wird.

Wenn man sich mit jungen Leuten unterhält und verspricht, keine Namen zu nennen, wissen viele irgendeine Geschichte zu erzählen von Freunden und Geschwistern, in denen jemand zum Opfer wird. Von einem 14-Jährigen zum Beispiel, dem auf einem Musikfestival für junge Leute das Handy aus der Hosentasche geklaut wird; einem 16-Jährigen, der angepöbelt wird und einen Faustschlag kassiert; von einer Jugendlichen, die mit ihrem Fahrrad an der Ampel steht und plötzlich eine Männerhand auf dem Po hat.

Wer zu viel Alkohol erwischt hat, wird schneller zum Opfer von Verbrechen, ebenso, wer schwach wirke, sagen die Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs. Das gelte für Frauen wie für Männer, für Mädchen wie für Jungs. Aufeinander aufpassen, niemanden aus der Gruppe alleine lassen, schon gar nicht, wenn der- oder diejenige wankt oder niedergeschlagen wirkt, sollte der Kodex aller Großstadt-Kinder sein. Ganz besonders, wenn sie nachts unterwegs sein wollen. Ein Selbstverteidigungskurs kann helfen - und das bewusste Durchbrechen weiblicher Verhaltensmuster. Mädchen erlebten von klein an, dass sie mit Lächeln gut durchkommen, erklärt Weidner. Sie lernten oft nicht, sich zur Wehr zu setzen, wenn jemand Grenzen überschreite.

Beim Erwachsenwerden geht es darum, sich von Tigermüttern oder Helikoptervätern zu lösen, selbständig zu werden. Deshalb verlassen Jugendliche die Komfortzone ihrer Kinderzimmer und klettern in Sommernächten über Zäune von Fußballplätzen. Bernhard Kühnel, Leiter der städtischen Erziehungsberatungsstelle, hat einen Tipp: Man könne Jugendliche nicht einsperren. Viel besser sei es, das Gespräch mit ihnen zu suchen, eine vertrauensvolle Basis zu finden.

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