AfD in Sachsen und Brandenburg:"Inhaltliche Auseinandersetzung statt moralischer Abwertung"

Der Soziologe David Begrich im Gespräch über die Wahlerfolge der AfD in Sachsen und Brandenburg - und den künftigen Umgang mit den Rechten, die dort zur zweitstärksten Partei geworden sind.

Interview von Lars Langenau

Der Sozialwissenschaftler David Begrich arbeitet bei dem Verein "Miteinander in Magdeburg" und beschäftigt sich dort mit Rechtsextremismus in Ostdeutschland und der AfD.

SZ: Herr Begrich, sind Sie schockiert von den Wahlergebnissen in Sachsen und Brandenburg - oder haben Sie damit gerechnet?

David Begrich: Ich bin nicht schockiert, da sich die Entwicklung in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat.

Sind die mehr als 20 Prozent AfD-Wähler in den beiden Bundesländer noch Protestwähler oder ist das schon eine Stammwählerschaft?

Da muss man differenzieren. Zum einen gibt es sicherlich inzwischen eine Stammwählerschaft der AfD, die den rechtsextremen Einstellungen der Partei zustimmt. Ein anderer Teil der Wähler nimmt diese Einstellungen "in Kauf". Und ein dritter Teil sieht die eigene Stimme als Protest - oder besser: Sie wollen mit ihrer Stimme ihren Protest ausdrücken.

Wie ist das in Brandenburg, wo mit Andreas Kalbitz jemand an der Spitze der AfD steht, der im Neonazi-Milieu verkehrt hat und es trotzdem keine Hemmungen gibt, diese Partei zu wählen?

Da müssen Sie die Wähler fragen, aber tatsächlich sind im Umgang und in der Unterstützung von rechtsextremen Personen und Positionen Tabus gefallen.

Die Wahlbeteiligung ist in beiden Bundesländern gestiegen und viele vorherige Nicht-Wähler haben die AfD gewählt. Die AfD rechnet sich nun an, die demokratische Beteiligung zu erhöhen. Was halten Sie von dieser Argumentation?

Wir haben in den östlichen Bundesländern, anders als früher im Westen, keine festen Wählerbindungen an etablierte Parteien. Und wir hatten hier immer eine große, heterogene Gruppe an Nicht-Wählern. Jetzt ist es so, dass die AfD von den Stimmen der Menschen profitiert, die politikfern und kulturell entfremdet sind und sich zudem selbst nicht in einem politischen Koordinatenfeld verordnen. Und ein von Ressentiments geladener Wahlkampf hat diese Menschen zur AfD geführt.

Sie meinen die plakatierte "Wende 2.0", wie das Wahlkampfmotto der AfD hieß?

Nein, das hat viele Faktoren. Aber diese Nichtwähler hat die AfD durch die Zuspitzung und Polarisierung erreicht.

SPD, Linke und auch die CDU sagten in ersten Reaktionen nach ihren Stimmverlusten, dass sie zu wenig "mit den Menschen geredet" hätten. Hat die AfD das denn anders gemacht?

Nein, aber die AfD hat einen Wahlkampf über eine strategische Kommunikation geführt, die vielen Menschen den Eindruck vermittelt hat, sie sei ihre Interessensvertretung.

Dabei hatte das Leib- und Magenthema der AfD, die Asyl- und Flüchtlingspolitik, doch kaum noch eine Bedeutung?

Ich glaube schon, dass das noch eine Rolle gespielt hat - zumindest als Fundament für die Mobilisierung der Basis. Zudem hat sich die AfD als Anti-Establishment positioniert, also als die, die gegen das so genannten "Merkel-Regime" sind.

Wie sollte man denn künftig die Auseinandersetzung mit der zweistärksten Partei in Ostdeutschland führen?

Die moralische Abgrenzung von der AfD ist an ihr Ende gekommen. Man muss sich eine andere Form der Auseinandersetzung überlegen.

Also mit der AfD reden und sie inhaltlich stellen?

Ich habe das mal auf folgende Formel gebracht: keine Kooperation, sondern inhaltliche Interaktion. Wie die genau auszusehen hat, wird zunächst nicht in den Landtagen, sondern in den Kommunen entschieden, denn hier sind die Auseinandersetzungen in der Politik noch enger an den Menschen dran. Das muss nicht zwingend Dialog heißen, sondern kann auch eine Formel der inhaltlichen politischen Auseinandersetzung statt moralischer Abwertung bedeuten.

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