Landtagswahlen:Die Linke und die Schuldsuche im Kollektiv

Nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen - Die Linke

Die Verantwortung für die Niederlagen auf mehrere Schultern verteilen: Das Führungspersonal der Linken am Montag in der Bundespressekonferenz.

(Foto: dpa)
  • Die Linke versteht sich als Partei des Ostens - doch bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen hat sie heftige Verluste eingefahren.
  • Seit Monaten spricht die Partei nicht mit einer Sprache, auch das wird am Montag deutlich, etwa durch einen Facebook-Post von Noch-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.
  • Parteichefin Kipping sagt, dass man "ohne Tabus über eine Neuaufstellung" sprechen werde.

Von Stefan Braun, Berlin

Eines muss man den Linken lassen: Noch halten sie zusammen; noch teilen sie sich die Schmerzen. Jedenfalls solange Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht nicht mit von der Partie sind.

Während andere Parteien am Montag im Trio auftreten, kommen die Linken zu sechst zur Wahlnachlese. Die Parteichefs im Bund, dazu die Duos der Spitzenleute aus Brandenburg und Sachsen - das kann sich sehen lassen. Nach dem Motto: Möge die Niederlage vom Sonntag auf mehrere Schultern verteilt werden, dann wird der große Schmerz wenigstens ein bisschen erträglicher, als wenn man ganz alleine auftritt.

Da ist zum Beispiel der Parteichef, Bernd Riexinger. Er spricht von einer "deutlichen Niederlage" und kritisiert "schwere strukturelle Schwächen" der Linken im Osten, die sich im Schlussspurt an der mangelnden Mobilisierung gezeigt hätten. Katja Kipping, seine Ko-Vorsitzende, klingt nicht besser.

Sie sieht gleich mehrere Gründe für die Niederlage und erklärt, die Polarisierung im Kampf gegen die AfD habe der Linken geschadet. Außerdem gibt sie zu, dass es von der Bundesebene keinen Rückenwind gab - und kündigt unumwunden an, dass man "ohne Tabus über eine Neuaufstellung" sprechen werde.

Potz Blitz, könnte man sagen: So harsch sind die Linken wohl noch nie mit sich selbst ins Gericht gegangen. Was einerseits verständlich ist, immerhin haben sie in Sachsen und Brandenburg satte Verluste von rund acht Prozent eingefahren. Verluste sind das zudem, die in Sachsen aus der Opposition und in Brandenburg aus einer Regierungsbeteiligung heraus erzielt wurden. Was den sächsischen Spitzenkandidaten Rico Gebhardt zu der trotzigen Bemerkung verleitet, dass alle, die die Schuld beim Regieren verortet hätten, zwar "pfiffig klingen, aber trotzdem falsch sind".

So harsch das Sextett am Montag in der Analyse ist, so sehr bemühen sich Kipping und Riexinger zu verhindern, dass das, was die Partei seit Monaten plagt und lähmt, noch mehr aufbricht: Gemeint ist die mal öffentliche, mal heimliche Selbstzerfleischung.

Kipping gibt zu, dass die Partei mit einem "Image der Unentschiedenheit" zu kämpfen hatte. Zugleich aber fügt sie hinzu, dass eine Art "Blame Game", also interne Schuldzuweisungen, in der jetzigen Lage genauso wenig helfe wie das "Prinzip Schlachteplatte". Womit natürlich nur deutlich wird, wie groß die Gefahr solcher Aktionen tatsächlich sein dürfte.

Noch immer sehen viele die Linkspartei als stärkste Verfechterin von Ost-Interessen

Zu spüren sind die Spannungen ohnehin, wenn auch meist nur in Andeutungen. Als Kipping auf die Vorhaltungen von Bartsch angesprochen wird, der am Morgen erklärt hatte, die Partei müsse sich wieder mehr der sozialen Frage zuwenden, antwortet Kipping, in diesem Bereich brauche sie nun wirklich keinerlei Belehrungen. Und als Riexinger mit Wagenknechts jüngstem Facebook-Eintrag konfrontiert wird, guckt er auch nicht glücklicher.

Die Noch-Fraktionschefin hatte geschrieben, die Linke werde viel zu sehr als grünliberale Lifestyle-Partei wahrgenommen; deshalb sei es nicht verwunderlich, dass sich viele abwendeten. Solche Analysen seien nun wirklich grundfalsch, so Riexinger mit unverhohlenem Ärger in der Stimme.

Angesichts dieser Großbaustellen kann man schon verstehen, dass die Linke gerne auf zwei Erkenntnisse vom Sonntag verweist, die mit klassischen Erklärungsmustern brechen. So erinnert Riexinger an die Behauptung, die AfD sei die neue Protestpartei des Ostens und speise sich vor allem aus den Wählern der Linken. Tatsächlich aber habe die Linke deutlich mehr Wähler an CDU, SPD und Grüne verloren, betont der Parteichef. Außerdem hätten Nachwahlanalysen gezeigt, dass immer noch die meisten Menschen die Linkspartei als stärkste Verfechterin von Ost-Interessen empfinden. Sollte das stimmen, stellt sich nur eine Frage: Wie kann die Linkspartei da das Ruder überhaupt noch einmal rumreißen?

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