Kolumne "Mein Leben in Deutschland":Meine Tochter liebt die Polizei

Lollapalooza  2018

Ihre Sirenen sind fürchterlich, aber die Arbeit der deutschen Polizei verdient Respekt und Vertrauen, findet unser Gastautor - vor allem im Vergleich zu den Polizisten in seinem Heimatland.

(Foto: dpa)

Sirenen, Tattoos, Muskeln und wie sie Konflikte schlichten - die deutschen Polizisten sind beeindruckend, findet unser syrischer Gastautor. Vor allem, wenn man sie mit der syrischen Polizei vergleicht.

Kolumne von Yahya Alaous

Polizisten in Deutschland sind für mich sehr interessant. Zwar gibt immer wieder auch nicht so schöne Schlagzeilen über sie, doch ich bestaune auch oft ihre Muskeln, ihre Tattoos und ihr Auftreten in Uniform. Es vermittelt einen Eindruck von Disziplin, Stärke und Autorität.

Ich selbst habe noch nie die Geduld der Polizisten getestet und ich hoffe, dass das auch niemals notwendig sein wird. Lange hatte ich immer nur gesehen, wie die offenen und diskussionsbereiten Freunde und Helfer bei Autounfällen versuchten, die Lage zu klären. Doch neulich konnte ich eine Zivilbeamtin in purer Action beobachten: sie griff sich einen Drogendealer in einer Berliner U-Bahnstation, schmiss ihn zu Boden, legte ihm Handschellen an und fixierte ihn solange, bis ihre Kollegen eintrafen. Möge ich stets nur mit den flinken Zungen - nicht aber mit den massiven Armmuskeln der Polizei Bekanntschaft machen!

Die Polizeisirenen hier in Berlin sind fürchterlich, und ich bin mir sicher, dass ältere Menschen durch ihren Klang Schocks oder gar Herzattacken bekommen können - doch sie sind nur ein weiterer Indikator der Stärke und posaunen laut heraus: "wir brauchen den Weg, macht ihn frei, hier kommen wir!". Immer, wenn ich sie höre, werde ich sehr neugierig und frage mich, wohin und mit welcher Mission sie wohl gerade unterwegs sind.

Ihre hohe Geschwindigkeit und ihre lauten Sirenen lassen ihren Einsatz ja immer höchst dramatisch wirken. Sofort kommen mir dann Bilder in den Sinn: wie die Polizeibeamtinnen und -beamten zum blutverschmierten Ort eines Verbrechens eilen, wie sie eine besorgniserregende Menschenmenge auflösen, oder auch, wie sie eine Bankräuber-Bande an einer entlegenen Ecke Berlins schnappen. So etwas passiert auch in Berlin nicht allzu häufig, doch die Polizei kümmert sich um alles, auch um Autounfälle, mit derselben Ernsthaftigkeit und demselben Verantwortungsgefühl. Das ist eine tolle Sache!

Ich möchte ein Beispiel anführen: Vor ein paar Wochen beobachtete ich einen Tumult: Ein jüngerer Fahrer war in das Auto eines älteren Herrn gerast, dessen Wagen war stark beschädigt. Die beiden brüllten sich an, dann nahm der ältere Herr seinen Stock und drohte, den Unfallverursacher zu prügeln. Dieser versteckte sich daraufhin vor Angst in seinem Auto.

Nach ein paar Minuten waren schon drei Polizeiautos am Unfallort, die Beamten sperrten die Straße ab und begannen, den "Konflikt" zu schlichten. Ich dachte mir, dass die Autofahrer, die den drei Polizeiautos sofort Platz gemacht haben, enttäuscht gewesen sein müssten - hätten sie mitbekommen, dass der Grund des Einsatzes nur ein einfacher Streit zwischen einem alten Herrn und einem friedlichen, aber unfallverursachenden jungen Mann gewesen ist!

In Syrien sind Polizisten schnell - wenn die Opposition demonstriert

In meinem Land, in Syrien, war es noch viel einfacher, solche "Konflikte" auszulösen. Manchmal reichte es, wenn ein junger Mann in die falsche Richtung gestarrt hatte, manchmal reichte ein Streit zwischen Kindern, um eine ganze Familienfehde auszulösen. Auch war es nicht unüblich, den Rettungsdienst lange vor dem gelangweilten Polizisten auf seinem Motorrad anrollen zu sehen - um dann mitzubekommen, wie dieser sein altes Notizbuch herausholte, um sein allererstes persönliches Interesse abzuklären: wer der am Streit beteiligten Parteien ihn mit welcher Summe zu bestechen hätte.

Bei politischen Aktionen der Opposition und bei regimekritischen Veranstaltungen sah die ganze Sache allerdings ganz anders aus: schneller, als man schauen konnte, waren mindestens genauso viele Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter vor Ort - und das in einem Tempo, das alle andere Polizisten der Welt vor Ehrfurcht erschaudern lassen würden. Naja, vielleicht nicht alle, aber mit russischen und der nordkoreanischen Polizei hätten sie sich bei einer entsprechenden Polizeiolympiade sicherlich spannende Wettkämpfe um die ersten drei Plätze liefern können.

Ich erinnere mich noch an eine andere Polizei-Geschichte aus Syrien: eine Frau rief die Polizei, nachdem sie die ständigen Misshandlungen ihres Ehemannes nicht mehr ertragen konnte. Die Frau hat natürlich nicht erwartet, dass die Polizei gleich mit einem Psychotherapeuten und einem Sozialarbeiter anrücken würde. Doch was sie dann erleben musste...

Die Polizei schickte einen gestandenen Beamten mit einem mächtigen Schnurrbart. Er beleidigte die Frau, fragte sie, was das denn solle, und schnauzte sie an - mit Worten, die ich niemals vergessen werde: "Wer von uns hat denn nicht schon mal gesehen, wie sein Vater seine Mutter prügelt?". Der armen Frau wurde schnell klar, dass dieser Polizist nicht gewillt war, ihr zu helfen, so blieb ihr nichts anderes übrig, als klein beizugeben und natürlich keine Anzeige zu erstatten.

Respekt und Vertrauen

Meine Tochter hat in der Schule in Deutschland gelernt, die Polizei nicht nur zu respektieren, sondern ihr auch zu vertrauen. Immer wieder berichtete sie mir begeistert, wie die Beamten ihre Schule besuchen würden, um den Kindern die Verkehrsregeln beizubringen.

Ich muss zugeben, dass ich seitdem die Straßen Berlins (entgegen der lokalen Sitte) auch zu Fuß nur überquere, wenn die Ampel grüner als grün leuchtet, und die Idee, dass auch meine Töchter irgendwann eine Karriere bei der deutschen Polizei einschlagen könnten, erscheint mir gar nicht mehr so abwegig.

Übersetzung von Jasna Zajcek

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