Stilkritik: Greifvogel:Geduldig wie ein Geier

Das Image des Geiers hat sich gebessert, vom tödlichen Lauern zu Muße und Geduld. Hat der Müllmann im Vogelreich das Zeug zum neuen Lieblingstier der Menschen?

Von Hannes Vollmuth

Im Wirtschaftsteil kann man derzeit wieder häufiger lesen, dieses Land befinde sich in einem Stillstand. Klar, das Internet ist lahm, der Konjunktur geht langsam, aber sicher die Puste aus, und Thomas Gottschalk redet immer noch über "Wetten dass..?" - oder schon wieder?

Der Eindruck ist aber falsch. Deutschland vibriert stattdessen förmlich vor Wandel, nichts, was nicht in Bewegung wäre, selbst das Image des Geiers ist laut dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) jetzt ein anderes. Ja, das Images des Geiers. So haben das 90 Prozent von 1300 online Befragten gerade bestätigt. Lediglich zwei Prozent gaben an, in möglichen Geiergebieten mit einem unangenehmen Gefühl unterwegs zu sein. Wie recht diese Menschen doch haben. Und wie ungerecht man dem Geier lange tat, in eine Schublade gesteckt mit der Kadaver-geilen, fies-lächelnden Hyäne, all die schlechten Wortspiele, im Englischen existiert sogar die Beleidigung "Vulture investor", Geier-Investor.

Endlich sieht der Mensch nicht mehr das tödliche Lauern im Geierhaften, sondern die Muße und Geduld. Wie selbstlos er dem Adler jahrelang die oberen Ränge der Beliebtheitsskala überließ, während er selbst die Drecksarbeit erledigt beziehungsweise das Aas weggeräumt hat. Der Müllmann im Vogelreich und jetzt der Liebling der Menschen. Hand auf's Herz: Hat gerade irgendwer an Revolution gedacht?

© SZ vom 03.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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