Volkshochschulen:Bildung für alle

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Sie haben einen ungewöhnlich schönen Arbeitsplatz: Christine Loibl (v. li.), Leiterin der Volkshochschule Starnberger See, und ihre beiden Kolleginnen Gundula Bieber-Reynartz und Martina van der Wiel. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die vier Einrichtungen im Landkreis feiern ein Jubiläumsjahr. Vor sieben Jahrzehnten bestand das Programm aus 15 Kursen, heute besuchen 7000 Menschen allein das Haus in Starnberg - ein Vorreiter bei neuen Medien, Demokratie und Integration.

Von Sabine Bader, Starnberg

Sollte Christine Loibl, die Chefin der Volkshochschule Starnberger See, einmal tatsächlich vergessen haben, was an ihrem Arbeitsplatz wunderschön ist, dann braucht sie von ihrem Büro aus nur auf den Balkon im zweiten Stock der Alten Oberschule in Starnberg zu treten. Der Blick ist phänomenal. Doch in dem ehrwürdigen Bau war die Bildungseinrichtung nicht von Anfang an untergebracht. In den ersten Jahren mussten die Kursleiter mit ihren Teilnehmern noch vagabundierend durch die Stadt ziehen - mal stellte ihnen die Berufsschule Räume zur Verfügung, mal die Kirche. So erging es vielen Volkshochschulen (VHS). Vier davon gibt es heute im Landkreis - in Starnberg, Herrsching, Gilching und im Würmtal.

In diesem Jahr feiern die Bildungsstätten bundesweit ihren 100. Geburtstag anlässlich ihrer Verankerung in der Weimarer Verfassung. Die Einrichtungen im Landkreis feiern mit, auch wenn sie etwas jünger sind. Die Starnberger VHS muss sich mit einen unrunden Geburtstag begnügen - dem 68. Im Jahr 1951 gehörten der "Arbeitsgemeinschaft Volkshochschule" neben Starnberg noch die Gemeinden Gauting und Tutzing an. Von "Geburtswehen" schreibt die frühere VHS-Leiterin Irmgard Heeren in der Stadtchronik, weil es gar nicht so einfach war, den Gautinger Gemeinderat von der Notwendigkeit der Erwachsenenbildung zu überzeugen.

Im ersten Jahr verzeichnete die VHS in den 15 Kursen noch 461 Teilnehmer. Doch die Hörerzahl steigt stetig: 1957 haben sich bereits 2400 Interessierte eingeschrieben. 1969 wird der erste Kurs "Deutsch für Ausländer" angeboten, ein Bildungsauftrag, dem sich die Volkshochschule seither verpflichtet sieht.

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(Foto: Florian Peljak)

Ganz nach dem Motto "Wofür sind eigentlich diese ganzen Messer?" oder "Darf ich Salat überhaupt schneiden?" wird auf Tischsitten heute wieder zunehmend Wert gelegt. Sind sie doch Ausdruck einer guten Kinderstube. Während eines Vier-Gänge-Menüs erfahren die Kursteilnehmer bei der VHS Starnberg mehr über die großen und kleinen, aber feinen Details, die es bei Tisch zu beachten gilt. Die Kursgebühr beträgt inklusive Menü 82 Euro.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Igel haben es schwer: Ihr Lebensraum schwindet und damit das Nahrungsangebot. Vor allem im Herbst sind viele Tiere auf menschliche Hilfe angewiesen. Professionelle Pflegestellen sind rar. Darum werden dringend private Überwinterungsplätze mit Zufütterung bis zum Winterschlaf für gepäppelte Igel gesucht. Wildtierpfleger aus dem Tierheim Starnberg weisen in einem zweitägigen Kurs in Pflege und Fütterung der Tiere ein. Kosten: 30 Euro.

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(Foto: Robert Haas)

Plastik vermeiden ist das Gebot der Stunde. Doch das klappt nicht immer. Irgendetwas landet meist trotzdem in der Tonne. Wer bereit ist, Becher, Shampooflaschen, Tetrapacks und den alten Fahrradschlauch wieder herauszukramen, der kann dies alles mit zum eintägigen Upcycling-Kurs in Starnberg bringen und lernen, was sich daraus alles Neues und vor allem Nützliches herstellen lässt - zum Beispiel Taschen. Kosten: 44 Euro.

Klettern und Höhenangst - sind das nicht diametrale Gegensätze? Nicht unbedingt. Die VHS bietet in Zusammenarbeit mit einer Kletterbetreuerin des Deutschen Alpenvereins einen Schnupperkurs für Anfänger an, die unter Höhenangst leiden. Sie erfahren mehr über Knoten und Sicherheitstechniken, erhalten Tipps zum bessern Umgang mit der Angst und klettern selbst los. Veranstaltungsort ist das Kletterzentrum Gilching. Kosten: 38 Euro.

Ähnlich wie bei der Integration übernimmt die Volkshochschule auch in Sachen neue Medien eine wichtige Rolle. Bereits 1977 wird der erste EDV-Kurs in Starnberg angeboten, und das Kursangebot in diesem Bereich steigt bis heute. Erstmals werden jetzt auch im Kleinen Saal und im Werkraum der Alten Oberschule, dem heutigen VHS-Sitz, Kurse angeboten. Der Umzug in die alte Villa mit Seeblick erfolgt dann 1988. Im Jahr 1990 wird der Trägerverein nach fast 40 Jahren aufgelöst. Die Gemeinden Berg, Feldafing, Pöcking und Tutzing sowie die Stadt Starnberg fungieren bis heute als Träger. Der neue Name lautet: Volkshochschule Starnberger See.

Heuer kann die VHS mit mehr als 500 Kursen für 7000 Teilnehmer aufwarten. Der neue Katalog für das diesjährige Herbst- und Wintersemester geht gerade allen Haushalten in den fünf Mitgliedskommunen zu und liegt von heute an in Rathäusern und Banken auf. Er beschäftigt sich mit den Themengebieten Gesellschaft, Kultur, Sprachen, Beruf und Jugend. Da gibt es beispielsweise ein "Studium regionale", eine Farb- und Stilberatung und einen Kurs über Tisch-Etikette ebenso wie zahlreiche Kurse zur Gesundheitsvorsorge wie Autogenes Training und Yoga. Die Sportlichen können Klettern lernen, Bogenschießen und den Sportbootführerschein für Binnengewässer machen. Für Schüler, die mindestens sieben Jahre alt sind, bietet die VHS auch einen Snowboardkurs für Anfänger an oder einen Kletterkurs für Leute mit Höhenangst.

Neu im Angebot der VHS sind auch ein Igelpflegekurs, ein Kurs für Eltern, die ihren Kindern den sicheren Umgang mit dem Internet beibringen wollen und ein Kurs für Leute, die ihre Steuererklärung selbst machen möchten und nicht so recht wissen, wie sie dies anstellen sollen. Für alle, die noch vorhaben, eine Prüfung zu absolvieren, eignet sich der Kurs "Schneller lesen, mehr behalten". Der Bandbreite sind keine Grenzen gesetzt: Da gibt es auch einen "Schreinerkurs für Frauen" und einen Kurs zum Thema Upcycling, in dem die Teilnehmer lernen, wie man aus Müll, den sie früher weggeworfen hätten, Neues und vor allem Nützliches fertigen können.

Seit fast vier Jahr führt Christine Loibl den Starnberger Verein. Die 52-Jährige hat den Job von Irmgard Heeren übernommen, die mehr als 18 Jahre lang an der Spitze der Bildungseinrichtung stand. Vor ihrem Wechsel nach Starnberg war Loibl stellvertretende Verbandsdirektorin in München. Doch die Arbeit tauschte sie gern gegen den jetzigen Job ein, sie "wollte raus aus der Stadt". Loibl: "Für mich war der Wechsel aufs Land ein großes, großes Glück." Denn Loibl ist sportlich - sie schwimmt und wandert gern. Mit ihrem Lebensgefährten wohnt sie seit mehr als drei Jahren in Feldafing.

Ihr erklärter Lieblingskurs im vergangenen Jahr war das "Wasserwandern" in Percha. Ein Schnupperkurs, bei dem die Teilnehmer mit Paddeln im seichten Seewasser umherwaten. Wen wundert es, dass Christine Loibl selbst mit von der Partie war.

Besonders am Herzen liegen ihr nach wie vor die mittlerweile 80 Integrationskurse und Prüfungen. Die meisten Flüchtlinge seien auch "sehr motiviert", sagt sie. "Allerdings haben wir im vergangenen Jahr große Verunsicherung bei ihnen festgestellt, was ein mögliches Bleiberecht angeht." Diese Kurse finden oft vormittags in den elf Räumen der Alten Oberschule statt. Dann wimmelt es nur so im Haus, an die 100 Teilnehmer geben sich täglich die Klinke in die Hand. Da Räumlichkeiten in Starnberg an den Vormittagen Mangelware sind, ist die VHS-Chefin quasi chronisch auf Raumsuche. An den Abenden können die Kursleiter mit ihren Deutschkursen in die Räume der Starnberger Schulen ausweichen.

Und dann ist da noch ein Kurs, der Loibl besonders wichtig ist: der "Demokratieführerschein", den die VHS im kommenden Herbst gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr, dem Rotary-Club und der Gemeinde Tutzing für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren anbietet. Hier lernen die jungen Leute, wie sie in ihrer Gemeinde mitmischen können. Sinnvoller den je sei dieser Kurs in der momentanen Zeit, findet die VHS-Chefin.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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