Handelspolitik:Wie Trump seine eigene Exportwirtschaft in die Bredouille bringt

USA: Container im Hafen von Long Beach, Kalifornien

Container im Hafen von Long Beach, Kalifornien: US-Exporteure leiden immer stärker unter der Zollpolitik von Präsident Donald Trump.

(Foto: Mark Ralston/AFP)
  • Trumps Strategie, China zur Drosselung der Exporte in die USA und zum verstärkten Kauf von US-Produkten zu zwingen, geht nicht auf.
  • Das US-Handelsdefizit ist seit Trumps Wahlsieg nicht etwa gesunken, sondern von gut 300 Milliarden auf 380 Milliarden Dollar gestiegen.
  • Gleichzeitig schadet seine Strafzoll-Politik nun auch der heimischen Exportwirtschaft - und zwar massiv.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Als Chad Bown, Handelsexperte des Washingtoner Peterson-Instituts für Weltwirtschaft, jüngst eine Schlagzeile für einen Aufsatz über den amerikanisch-chinesischen Zollstreit suchte, kam ihm ein Buch aus dem Jahr 1962 in den Sinn. Der Titel des preisgekrönten Werks lautet "The Guns of August", "Die Waffen des Augusts" also, wobei die offizielle deutsche Ausgabe mit "August 1914" überschrieben ist. In dem Buch beschreibt die Historikerin Barbara Tuchman, wie die Länder Europas durch die Arroganz und die grotesken Fehleinschätzungen des deutschen Kaisers Wilhelm II. und anderer tumber Regenten in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs stolperten. Man könne nur hoffen, so Bown in seinem Aufsatz, dass die heutigen Präsidenten Donald Trump und Xi Jinping am Ende "die Finger von den Waffen des Augusts 2019 lassen werden".

Nun ist bei historischen Vergleichen Vorsicht geboten, wenn es um Krieg geht allemal. Was der renommierte Handelsexperte jedoch meint, ist: Die USA und China haben sich mit ihrem Dauerfeuer aus Zöllen und Gegenzöllen mittlerweile in eine Lage manövriert, aus der es kaum noch gesichtswahrende Auswege gibt. Vor allem Trump agiert immer erratischer, weil seine Strategie, die Chinesen durch maximalen Druck zur Drosselung ihrer Exporte in die USA und zugleich zum verstärkten Kauf amerikanischer Produkte zu zwingen, nicht aufgehen will. Im Gegenteil: Zwar hat sich der Anstieg der US-Importe aus China verlangsamt, das jährliche Handelsdefizit der Vereinigten Staaten stieg seit Trumps Wahlsieg dennoch von gut 300 Milliarden auf den Rekordwert von 380 Milliarden Dollar.

Das liegt vor allem daran, dass sich die US-Exporte in die Volksrepublik wie in andere Teile der Welt völlig anders entwickelt haben, als der Präsident das den heimischen Betrieben, vor allem auch den Bauern, versprochen hat. Allein die Ausfuhren nach China gingen 2018 um mehr als acht Milliarden Dollar zurück, in diesem Jahr hat sich die Entwicklung noch beschleunigt. Statt der US-Wirtschaft mit seiner aggressiven Zollpolitik neue Märkte zu eröffnen, führe Trump einen "Krieg gegen US-Exporte", so Fred Bergsten, Gründungsdirektor und heute graue Eminenz des Peterson-Instituts, in einem weiteren Aufsatz.

Tatsächlich sind die wirtschaftlichen Perspektiven der amerikanischen Exportwirtschaft derzeit so düster wie seit Jahren nicht mehr. Noch 2017 wuchsen die Ausfuhren in einzelnen Quartalen mit Jahresraten von über fünf Prozent, mittlerweile jedoch hat die Kurve die Nulllinie durchbrochen, die Lieferungen ins Ausland schrumpfen also. Noch bedrohlicher wird es, wenn man die Einkaufsmanager großer US-Firmen nach den Bestellungen aus aller Welt fragt: Der entsprechende Index des Instituts für Angebotsmanagement (ISM) brach im August von zuletzt knapp 51 auf nur noch gut 43 Punkte ein - so rasant wie seit zehn Jahren nicht mehr. Dabei signalisieren Werte unter 50 Punkten einen künftigen Ausfuhrrückgang. Die Entwicklung war so dramatisch, dass auch der gesamte Einkaufsmanagerindex mit nunmehr 49 Punkten in negatives Terrain abrutschte. Das gleiche gilt für das ISM-Arbeitsmarktbarometer: Das Risiko, dass Industrieunternehmen in den kommenden Monaten Beschäftigte entlassen, ist demnach erstmals seit Anfang 2017 wieder höher als die Chance, dass zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden.

Zölle auf Importe aus China oder Europa sind immer auch Zölle auf US-Exporte

Bergsten nennt in seinem Aufsatz gleich ein Bündel an Faktoren, die auf politische Beschlüsse zurückgehen und der Exportwirtschaft schaden. Zunächst einmal sind Zölle, wie Trump sie auf Importe aus China und Europa verhängt hat, zugleich immer auch Zölle auf US-Exporte, weil viele heimische Firmen für ihre Produkte Komponenten aus dem Ausland beziehen. Wenn also etwa Ford Autos aus europäischem Aluminium baut, werden die Pkw wegen der entsprechenden US-Einfuhrabgaben teurer. Hinzu kommen die strengeren Ausfuhrregeln, mit denen Washington die Lieferung sicherheitspolitisch relevanter Hochtechnologieprodukte ins Ausland eindämmen will, sowie die Vergeltungszölle, die China, die EU und andere gegen Warenlieferungen aus den USA verhängt haben. Sie treffen - nicht zufällig - vor allem die amerikanischen Landwirte, die bisher zu den treuesten Anhängern Trumps zählten.

Auch die aggressive Steuer- und Haushaltspolitik des Präsidenten, die darauf abzielte, das Wirtschaftswachstum gewissermaßen mit der Brechstange auf Werte von drei Prozent und mehr zu heben, rächt sich jetzt: Sie hat erheblich zu höheren Leitzinsen, einer Aufwertung des Dollars und damit zu einer Verteuerung amerikanischer Produkte im Ausland beigetragen.

Noch gravierender allerdings sind zwei Punkte, die sich weder in Dollar, noch in Wachstumsprozenten messen lassen: So hat Trump mit seiner Politik in der eigenen Exportindustrie für so viel Unsicherheit gesorgt, dass nötige Investitionen derzeit vielfach ausbleiben. Das wird die Wettbewerbsfähigkeit der USA auf mittlere Sicht weiter belasten. Zudem gelten viele US-Firmen bei ihren ausländischen Kunden wegen der chaotischen Zollpolitik mittlerweile als "unzuverlässige Lieferanten" - ein Stigma, vor dem sich jeder Exportbetrieb fürchtet. Wo das enden wird, ist für Bergsten klar: "Wenn der Präsident nicht kehrtmacht", so der Peterson-Veteran, "wird seine Handelspolitik die US-Wirtschaft weiter schwächen, statt sie zu stärken."

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