Merkel in China:Sorge vor dem Absturz

  • Angela Merkel trifft bei ihrem Besuch in China auf eine nervöse Führung in Peking.
  • Die Krise in Hongkong, der Handelsstreit mit den USA, dazu manche Misstöne in Handelsfragen - derzeit belasten zahlreiche Baustellen die zuletzt immer besseren Beziehungen.
  • Trotz dieser Konflikte lobten beide Seiten die Partnerschaft als eine "besonders wichtige in komplizierten und unsicheren Zeiten".

Von Stefan Braun, Peking

Die Krise in Hongkong hat den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in China überschattet. Zu groß ist die Sorge in Europa, dass Peking harsch auf die Proteste in der einstigen britischen Kronkolonie reagieren könnte. Groß sind inzwischen auch die Befürchtungen vieler deutscher Unternehmen, dass Chinas wachsender Griff auf die Sonderwirtschaftszone die eigenen Geschäfte in Südostasien dauerhaft schwächen könnten. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Ministerpräsident Li Keqiang mahnte Merkel deshalb eine friedliche Lösung der seit Monaten angespannten Situation an.

Die Kanzlerin betonte, dass das Grundsatzabkommen zur Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie nach wie vor gelte und unbedingt eingehalten werden müsse. Den Bürgern Hongkongs müssten alle entsprechenden "Rechte und Freiheiten" gewährt werden. Außerdem müsse alles getan werden, um Gewalt zu vermeiden. Merkel zeigte sich vorsichtig optimistisch, dass die jüngste Entscheidung der Hongkonger Verwaltungschefin Carrie Lam, das umstrittene Auslieferungsdegret zurückzuziehen, die Chance auf einen neuen Dialog bieten könnte.

Ob Li das genauso sieht, blieb unklar. Er vermied eine Antwort auf die Frage, ob er Gewalt zur Lösung der Krise ausschließen könne und erweckte zunächst sogar den Eindruck, als wolle er sich gar nicht dazu äußern. Dann aber sagte er, die Zentralregierung in Peking unterstütze die Führung in Hongkong bei dem Versuch, "Chaos und Unordnung" zu beenden. Das werde selbstverständlich "auf Grundlage der Gesetze" passieren. Außerdem gebe es die Bemühung, "die langfristige Stabilität und den Wohlstand in Hongkong" zu erhalten. "Glauben Sie mir: China hat die Weisheit, seine Probleme zu lösen", sagte Li. So beruhigend diese Worte wirken sollten, so sehr ließen Lis Äußerungen offen, zu was Peking in den kommenden Wochen bereit sein könnte.

Die Zeiten sind schon besser, einfacher, entspannter gewesen zwischen China und Deutschland. In beiden Ländern wachsen die Sorgen vor einer wirtschaftlichen Eintrübung; In Berlin wie in Peking wächst außerdem die Furcht, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China die Lage weiter erschweren könnte. Für beide Länder wäre ein Ausbau der Handelsbeziehungen, eine weitere Öffnung der Märkte und eine stärkere Zusammenarbeit in globalen Fragen also dringend geboten. Doch statt dies mit Elan angehen zu können, belastet die Krise in Hongkong das Verhältnis.

Plötzlich steht die Frage im Raum, ob China noch ein verlässlicher Partner sein kann. Sie treibt längst nicht nur Menschenrechtler um. Vertreter der deutschen Wirtschaft sind bei der Kanzlerin vorstellig geworden, um der chinesischen Führung die Folgen eines martialischen Auftritts vor Augen zu führen. Käme es dazu, so ist aus der Wirtschaftsdelegation zu hören, würde Chinas Glaubwürdigkeit als verlässlicher Vertragspartner in Gefahr geraten. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der immer mehr deutsche und europäische Firmen im Zuge der Digitalisierung über engste Kooperationen nachdenken.

Ein Mittelständler, der in China engagiert ist, warnte am Rande von Merkels Besuch, man müsse sich nur einmal ausmalen, was passieren würde, sollte sich der Konflikt zwischen den USA und China weiter verschärfen. "Stellen sie sich vor, wir stünden in so einer Situation irgendwann vor der Frage, ob wir uns für amerikanische oder chinesische Partner entscheiden. Dann wären Zweifel an der Zuverlässigkeit eine Katastrophe", warnte er.

Der aktuelle Konflikt in Hongkong ist indes nicht die einzige, wenn auch die heikelste Baustelle. Hinzu kommt die Befürchtung vieler Unternehmen, dass Chinas "social credit system", also das mit einer fast lückenlosen digitalen Überwachung verbundene System der sozialen Kontrolle alsbald auch die ausländischen Mitarbeiter vieler Unternehmen treffen könnte. Dies könnte nicht zuletzt in Hongkong dazu führen, dass viele gute Mitarbeiter abwandern und Hongkong den Rücken kehren könnten. Auch das sorgt die Unternehmen.

Und dann, auch das wurde am ersten Tag von Merkels Besuch deutlich, hat sich der Konflikt um faire Zugänge für Investoren zuletzt nicht abgeschwächt, sondern zugespitzt. Insbesondere die chinesische Seite mit Ministerpräsident Li Keqiang an der Spitze rief die Bundesregierung dazu auf, die Investitionsbedingungen in Deutschland zu verbessern. Merkel hielt dem entgegen, dass der deutsche Markt sehr offen sei für Investoren. Einzige Ausnahme seien Investitionen in die kritische Infrastruktur, hier seien die Regeln zuletzt bewusst verschärft werden. Ob deshalb oder aus anderen Gründen ist das chinesische Engagement in Deutschland zuletzt deutlich eingebrochen.

Trotz dieser Konflikte lobten beide Seiten die Partnerschaft als eine "besonders wichtige in komplizierten und unsicheren Zeiten", wie Li betonte. Merkel sagte am Rande einer Sitzung des beratenden Wirtschaftsausschusses, es sei in der Vergangenheit immer wieder gelungen, Probleme zu lösen, "wenn wir sie gemeinsam und zielgerichtet angehen". Li hob hervor, dass Merkel bereits zum 12. Mal in China sei. Das zeige das große gegenseitige Interesse und belege, dass sie "herzlich willkommen ist in Peking". Als Beleg dafür hatten sich die Gastgeber bei der Begrüßung mit militärischen Ehren für Stühle entschieden, um Merkel nicht der Gefahr eines neuerlichen Zitteranfalls auszusetzen.

Am Rande des Besuchs gab es mehrere Vertragsunterzeichnungen, mit denen unter anderem Siemens, die Allianz und der Müllentsorger Alba ihr Engagement in China ausbauen.

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