Gesundheit:Hormon-Propaganda

Wenn Ärzte funktionäre Fakten leugnen.

Von Werner Bartens

Ein paar Tage nach der Publikation ist das immer gleiche Ritual zu beobachten: Sobald eine hochrangige Fachveröffentlichung erscheint, in der vor Risiken der Hormoneinnahme in den Wechseljahren gewarnt wird, wiegelt der Berufsverband der Frauenärzte ab: Stimmt ja gar nicht, unsere Frauen sind anders. Die Reaktion erinnert fatal an trotzige Dreijährige, denn die Funktionäre scheinen sich prinzipiell gegen alles aufzulehnen, was ihren eingeübten Gewohnheiten widerspricht.

Vor Kurzem ist im Fachblatt The Lancet, einem weltweit führenden Journal für Mediziner, eine Analyse unter Beteiligung von Richard Peto und Valerie Beral erschienen, beide Großmeister in den Bereichen Epidemiologie und Brustkrebs. Das Ärzteteam kommt zu dem Schluss, dass Hormone in den Wechseljahren das Risiko für Brustkrebs erhöhen und von den 20 Millionen Brust-Tumoren, die seit 1990 in westlichen Ländern aufgetreten sind, etwa eine Million auf Hormone zurückzuführen seien. Je nach Präparat und Einnahmedauer falle das Risiko verschieden aus: Nach einem Jahr sei es gering erhöht, nach fünf Jahren deutlicher.

Seit die WHI-Studie im Jahre 2002 ergab, dass durch Hormone in den Wechseljahren das Risiko für Brustkrebs, Herzinfarkt, Thrombosen und Embolien ansteigt, haben zahlreiche hochrangige Analysen die Gefahr bestätigt. Entgegen der eindeutigen Beweislage verharmlost der Berufsverband der Frauenärzte die Tatsachen immer wieder und verschickte noch 2016 eine Pressemitteilung mit dem gewagten Titel: "Hormonersatzbehandlung in den Wechseljahren hat mehr Nutzen als Risiken". Nun wird Falsches nicht wahr, indem es wiederholt wird. Trotzdem findet Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes, dass auch die gerade erschienene Lancet-Studie "nichts Neues enthält und inhaltlich problematisch ist".

"Es ist eine beliebte Reaktion medizinischer Berufsverbände, unliebsame Studien abzuwerten und die Ergebnisse zu diskreditieren, ohne ihre Gegenposition mit eigenen hochwertigen Untersuchungen zu belegen", sagt Studienexperte Gerd Antes, langjähriger Leiter des Cochrane-Zentrums in Freiburg, das die Qualität medizinischer Studien bewertet. Tatsächlich haben weder der Berufsverband noch andere Kritiker der Hormon-Kritik bisher eine ernst zu nehmende Studie vorgelegt, die ihre Ansichten belegt. Dass Hormone Beschwerden in den Wechseljahren lindern können, ist unbestritten. Diese Wirkung geht jedoch mit den beschriebenen Risiken einher.

"Vom Berufsverband der Frauenärzte sind wir irreführende Meldungen gewohnt", sagt Ingrid Mühlhauser, Gesundheitswissenschaftlerin aus Hamburg. "Der Verband scheint nicht die Interessen der Frauen zu vertreten, sondern eigene berufspolitische." Die Ärztefunktionäre würden das Brustkrebsrisiko verharmlosen und Daten missverständlich kommunizieren. Das seien gerne genutzte Strategien, um Fakten zu ignorieren, so die Expertin für Evidenzbasierte Medizin. Mühlhauser regt an, Mitteilungen des Berufsverbands der Frauenärzte mit Warnhinweisen zu versehen: "Achtung - der Berufsverband vertritt Geschäftsinteressen. Informationen nicht für den Gebrauch geeignet!"

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