Fake News:Freiheit der Wahl in Gefahr

Wahlkabinen

Wahlen sollen allgemein, frei, gleich und geheim sein.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Ein Gutachten aus dem Bundestag bewertet politische Propaganda im Internet.

Von Simon Hurtz

Die Wahl, die Donald Trump in Amerika ins Weiße Haus brachte, hat den Blick auf politische Desinformation fundamental verändert. Vor der US-Wahl 2016 diskutierten allenfalls Experten, ob und wie sich Online-Plattformen für Propaganda missbrauchen lassen. Seit dem Trump-Schock fallen vor jeder Wahl Begriffe wie "Fake News", "Microtargeting" und "Social Bots".

Politische Desinformation ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen - aber noch nicht in der Mitte der Politik. Deshalb hat Grünen-Politikerin Renate Künast die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags beauftragt, sich mit dem Thema zu befassen. Das Gutachten "Ansatz zur Regulierung von Wahlwerbung im Internet" liegt der Süddeutschen Zeitung vor und zeigt, wie Deutschland und andere Staaten versuchen, Online-Wahlkämpfe abzusichern.

TV-Spots sind strikt reguliert, nicht aber digitale Kampagnen

Während analoge Werbeformen wie TV-Spots und Wahlplakate strikt reguliert sind, fehlen entsprechende Gesetze für digitale Kampagnen. "Das Gutachten unterstreicht den Regulierungsbedarf bei Microtargeting, Dark Ads und Fake News als zentral für die Wahlfreiheit der Bürgerinnen und Bürger im digitalen Zeitalter", sagt Künast. "Es darf kein Geschäftsmodell mehr für Diensteanbieter sein, Wahlkampf-Werbung im Dunkeln zuzulassen."

Das Grundgesetz sieht vor, dass Wahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim ablaufen müssen. Die Experten der Wissenschaftlichen Dienste halten es für fraglich, "inwieweit die 'Freiheit' der Wahl auch vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen des digitalen Zeitalters gesetzlich geschützt ist". Deshalb sei es entscheidend, dass der Gesetzgeber digitale Wahlkämpfe reguliere. Das gelte insbesondere für Falschnachrichten und Desinformation.

In ihrer Ausarbeitung vergleichen die Wissenschaftlichen Dienste die Regelungen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Vor allem das französische "Gesetz zur Bekämpfung der Manipulation von Information" sieht drastische Maßnahmen vor. Bereits drei Monate vor einer Wahl können staatliche Stellen Rundfunkbetreiber und Internetplattformen sperren und sogar Gefängnisstrafen verhängen. Außerdem werden Online-Plattformen wie Facebook verpflichtet offenzulegen, wer politische Anzeigen schaltet und wie viel Geld dafür fließt. Auch in Großbritannien beschäftigen sich mehrere Untersuchungskommissionen mit dem Gefahrenpotenzial digitaler Desinformation. Im Mai kündigte die britische Regierung gesetzliche Maßnahmen an, um Online-Wahlkämpfe stärker zu regulieren.

Deutschland konzentriert sich dagegen darauf, sogenannte Hasskriminalität zu bekämpfen. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sieht Bußgelder für Plattformen vor, die strafbare Inhalte nicht innerhalb bestimmter Fristen löschen. Für politische Online-Werbung gibt es zwar einige Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag, spezifische Regulierung fehlt bislang aber.

"Während andere Länder voranschreiten, mangelt es in Deutschland an zielgerichteten Vorgaben für Transparenz digitaler Wahlwerbung", sagt Künast. "Wer ist für einen Werbeinhalt verantwortlich und wer hat die Verbreitung finanziert? Solche Informationen vorzuenthalten, verhindert einen offenen und fairen Wahlkampf."

Bislang gibt es keine Beweise, dass inländische oder ausländische Akteure in großem Stil versucht haben, deutsche Wähler zu manipulieren.

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