Fünfseen-Filmfestival:Die lässigen Auftritte der Stars in Starnberg

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Regisseur Tom Tykwer spricht über seinen Dreh mit Tom Hanks und die Serie "Babylon Berlin". Barbara Auer erhält den Hannelore-Elsner-Preis für ihre Rolle als Ehefrau, die von ihrem Mann mit HIV infiziert wird.

Von Gerhard Summer, Starnberg

Manchmal ist es einfach so: Eine Menschenschlange steht vor dem Kinosaal an, ein paar Leute verrenken sich den Hals, um einen Blick auf den Ehrengast zu erhaschen, der gleich eintreffen sollte. Und dann ist er plötzlich da, ganz ohne Ankündigung. Steht mit Matthias Helwig im Foyer des Lichtspielhauses Starnberg und plaudert mit dem Festivalchef, weiß der Himmel worüber. Strubbelfrisur, zerknautschtes Gesicht. Fangen jetzt die Kameras an zu rattern? Klatscht jemand? Nein, nichts davon, gerade mal ein Fotograf macht Bilder.

Womöglich hat die Selbstverständlichkeit, mit der Starnberg berühmten Regisseuren oder Starschauspielern begegnet, auch sein Gutes. Bohei und Blitzlichtgewitter gibt's andernorts, doch auf diesem Fünfseen-Filmfestival geht es entspannt und abgeklärt zu. So war es in den Vorjahren, als Wim Wenders, Doris Dörrie oder Josef Bierbichler eintrudelten, und so ist es auch bei der Ankunft von Tom Tykwer im Kino Starnberg und tags darauf von Barbara Auer in der Schlossberghalle, der ersten Preisträgerin der Hannelore-Elsner-Auszeichnung für große Schauspielkunst.

Tatsächlich aufregend an diesen Auftritten ist etwas anderes: die Geschichten, mit denen der Ehrengast anreist. Auch Tom Tykwer gehört zu den großen Unterhaltern. Je länger er vor der Kinoleinwand spricht, eine Colaflasche und das Mikro in der Hand, desto mehr Lacher bekommt er. Tykwer berichtet über seine Untergeher-Komödie mit Tom Hanks in der Hauptrolle, "Ein Hologramm für den König". Der Film, sagt er, handle von Nicht-Räumen, einer geplanten, aber nie gebauten Wüstenstadt, und einer "Welt, die in der Midlife-Crisis ist und 45-Jährige beiseite schafft, damit die Dampfmaschine jung getrimmt bleibt".

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Weil Tykwer keine Drehgenehmigung in Saudi-Arabien bekam, filmte das Team in der Westsahara in Marokko und entschied sich für analoge Kameras, weil die Hauptfigur, der "Mega-Wessi" Alan Clay, ein absolut analoger Typ sei. Eine halbkluge Entscheidung, wie der Regisseur in Nachhinein fand, denn nach jedem Drehtag musste der Sand aus den Kameraritzen gepult und geblasen werden. Für die Schauspieler waren die Fahrten durch die Wüste eine Tortur: Auf dem Auto waren fünf Scheinwerfer montiert, Hanks und Alexander Black, der den skurrilen Fahrer Yousef spielt, mussten sich erst minutenlang an das gleißende Licht gewöhnen. "Ich konnte es nicht fassen, dass die das geschafft haben", sagte Tykwer.

Saudi-Arabien sei ein "dermaßen absurdes Land, das kann man sich nicht vorstellen". Auf der einen Seite "Ultra-Traditionen", auf der anderen reiche, weit- und vielgereiste Menschen, Mega-Partys und Frauen, die daheim die Burka in die Ecke pfeffern, sich im darunter zum Vorschein kommenden kurzen Chanel-Kleid aufs Sofa setzen und eine Zigarette rauchen.

Tykwer kommt auch auf seine Serie "Babylon Berlin" zu sprechen. Er hat die dritte Staffel abgedreht, die neuen zwölf Folgen sollen von Januar 2020 im Fernsehen laufen. "Ein Wahnsinn", findet Tykwer, immerhin entspreche das Material einem neunstündigen Spielfilm. Ohnehin frage er sich, wie es die Macher anderer berühmter Serien hinbekommen, in noch viel schnellerem Takt zu produzieren. Müssten die nicht körperlich und seelisch am Ende sein? Geschieden? Ja, genauso sei es auch.

Tykwers Film über einen abgehalfterten Geschäftsmann, der König Abdullah ein "Hologramm"-Konferenzsystem verkaufen soll, das den Gesprächspartner wie eine Fata Morgana herbeizaubert und schon in "Star Wars" zu sehen war, ist von Kritikern zurecht gerupft und gelobt worden. Klar, die Geschichte vom Scheitern mit Anklängen an "Lost in Translation" plätschert in ein sehr herziges Happy End aus.

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Aber die wahre Stärke des Films ist die Nonchalance, mit der Tykwer den Irrsinn dieses Landes zeigt. Arbeiter fegen eine Straße in der Wüste. Auf einem Platz in Dschidda gibt es öffentliche Hinrichtungen. Wer sich mit der Frau eines reichen Mannes einlässt, muss damit rechnen, dass bald ein Sprengsatz an seinem Auto klebt. Und in der Luxusvilla der Ärztin, die Alan Clay ins Herz schließt, gibt es ein grausames Gemälde mit Schneebergen und einen offenen Kamin. Bei fast 40 Grad im Sommer und 29 im Winter.

In dem Drama, das am Samstag nach der Preisverleihung an die Schauspielerin Barbara Auer läuft, geht es nicht um Absurdität, sondern um den Einbruch des Grauens nach 35 Jahren Ehe: Meredith erfährt nach einer Blutspende, dass sie HIV-positiv ist, und findet heraus, dass ihr Mann sie angesteckt hat. Denn André geht ins Bordell. Regisseurin Christine Respond hat aus dem Stoff das Kammerspiel "Vakuum" gemacht, das einem zuweilen die Luft abschnürt, weil es so beklemmend, trist und ungeschminkt ist. Barbara Auer und Robert Hunger-Bühler spielen die Betrogene und den verstummenden Buhmann so wahrhaftig, dass man sich am Ende, als der Schweizer auf der Bühne erscheint, bei dem Gedanken ertappt: Der Kerl traut sich was, nach Starnberg zu kommen!

Wirklich bewegend ist bei dieser Preisverleihung, wie liebevoll sich Helwig an seinen einstigen Ehrengast Hannelore Elsner erinnert und wie persönlich Regisseur Christian Petzold die Laudatio hält. Ein eingespieltes Video zeigt ihn in seinem Arbeitszimmer vor seiner gigantischen Bücherwand. Barbara Auers Nachdenklichkeit und ihre Art, Figuren leicht, echt und anmutig zu zeichnen, sei etwas "Wunderbares", sagt er. Mit dieser Schauspielkunst könne sie zum Beispiel verdeutlichen: "Ich reiße mich zusammen, aber habe eine Wahnsinns-Sehnsucht nach Kontrollverlust."

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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