Personalnot:Starnberger Feuerwehr fühlt sich im Stich gelassen

Die Retter benötigen dringend mehr als 60 Nachwuchskräfte. Auch der Tag der offenen Tür mit vielen Besuchern schafft keine Abhilfe. Kommandanten und Kameraden üben heftige Kritik an der Stadt.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

"Hilfe, hilfe, hier brennt es! Retten Sie meine Tochter!", ruft eine junge Frau. Sie steht an einem Fenster im ersten Stock, aus dem schon dichter Rauch quillt und hält ein Kind im Arm. In Minutenschnelle baut die Freiwillige Feuerwehr Starnberg einen so genannten Übungssprungretter auf, der aussieht wie eine aufblasblare Rettungsinsel. Die Mutter lässt ihr Kind los, das sicher auf dem Sprungpolster landet.

Der Zimmerbrand war nur simuliert und natürlich war es auch kein echtes Kind, das da aus dem Fenster des Starnberger Feuerwehrhauses flog, sondern eine etwa zehn Kilogramm schwere Übungspuppe. Die Übung führten die Brandretter beim Tag der offenen Tür am Samstag vor. Die 23-jährige Feuerwehrfrau Regina Senft hat die junge Mutter gespielt, gesprungen ist sie allerdings nicht. Der Grund sei, dass das Sprungpolster nach jedem Einsatz gewartet werden müsse, erklärt die Geräteträgerin.

An diesem Tag simulieren die Feuerwehrleute etliche Einsätze - etwa, wie eine brennende Person gelöscht oder ein Mensch gerettet wird, der durch einen Betonklotz eingeklemmt ist. Die Aktionen ziehen zahlreiche Familien an. Die Kinder dürfen am Steuer eines Feuerwehrautos sitzen oder im Korb der Drehleiter 30 Meter in die Höhe fahren.

Bis zu 1000 Besucher kommen jedes Jahr zum Tag der offenen Tür. Doch das Ziel, Nachwuchs zu werben, erreicht die Feuerwehr damit kaum. Wie Kommandant Markus Grasl berichtet, hätten sich im vergangenen Jahr "null Interessenten" gemeldet. Irgendwie springe der Funke nicht über. Die Kinder könnten den Personalmangel ohnehin nicht beheben, sagt er. Aber man denke an die Zukunft.

Die Starnberger Wehr hat massiven Personalmangel. Von 123 Planstellen sind laut Grasl gerade mal 61 besetzt - also fehlen mindestens 62 Retter, ohne dass der Bedarf an Einsatzkräften für den geplanten Tunnel eingerechnet ist. Starnberg sei zu städtisch, begründet Feuerwehrsprecher Oliver Schwab das Dilemma. Im ländlichen Raum seien die Menschen stärker verwurzelt. Und wenn die Feuerwehr tatsächlich Jugendliche gewinnen könne, stünden diese erst mit 18 Jahren für Einsätze zur Verfügung. Zu diesem Zeitpunkt verließen die jungen Leute jedoch oft die Kreisstadt wieder, um zu studieren. Diejenigen, die blieben, wie etwa der 15-jährige Samuel Pfisterer, müssten Starnberg spätestens mit Mitte Zwanzig verlassen, wenn sie keine bezahlbare Wohnung fänden.

Andreas Borrmann etwa benötigt dringend mehr Wohnraum für seine Familie. Er hat sich ebenso wie zehn weitere Feuerwehrkollegen für das Einheimischenmodell am Wiesengrund beworben. Die Stadt habe versprochen, man werde die Feuerwehr bei der Vergabe berücksichtigen, sagt er, doch kein einziger von den Kameraden sei zum Zuge gekommen. "Es ist ein Zugereistenkindermodell geworden und kein Einheimischenmodell mehr", meint Borrmann enttäuscht. Das Ehrenamt werde von der Stadt nicht gewürdigt. Jetzt werde er wohl wegziehen und nach 21 Jahren im aktiven Dienst nicht mehr für die Feuerwehr zur Verfügung stehen.

Die "Top-Verdiener", die sich Starnberg leisten können, leisten laut Grasl keinen Dienst bei der Feuerwehr. Der Kommandant hat schon zahlreiche Vorschläge gemacht, wie man die Nachwuchsproblematik angehen könnte, doch bei der Stadt stoße er auf taube Ohren, sagt er. Nicht geschaffen worden seien etwa die drei geforderten Planstellen, um einen Unterricht tagsüber zu organisieren. Auch der Lehrsaal, den die Feuerwehr dafür benötige, sei dieses Schuljahr erneut an die Berufsschule vermietet worden. Während in anderen Gemeinden Mitarbeiter der Verwaltung für Feuerwehreinsätze tagsüber zur Verfügung stünden, sind es nach Angaben des Zweiten Kommandanten Maximilian Maenner in Starnberg gerade mal drei. "Sie wollen sich nicht engagieren, weil sie berufliche Nachteile befürchten", sagt Maenner. Die Mitarbeiter des Landratsamtes indes seien "immer da", lobt Grasl.

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