Diskussion:Kleine Häuser, große Debatte

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Im Seefelder Kino diskutieren (v.l.) Dietfried Gruber, Moderator Nicolai Baehr, Thorsten Thane, Matthias Rathke und Roger Mandl. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Experten sprechen im Kino Seefeld über "Tiny Houses" und das Wohnen in der Zukunft

Von Blanche Mamer, Seefeld

Früher galt, ein Drittel des Budgets wird für den Kauf des Grundstücks verwendet, zwei Drittel für den Bau des Hauses, sagt Architekt Nicolai Baehr am Sonntag im Kino in Seefeld beim Architekturpanel "Tiny Houses contra Multihouses". Heute, da die Grundstückspreise rasant steigen, bleibt oft nicht mal mehr ein Drittel für den Hausbau übrig. Wären Tiny Houses, kleine mobile Häuschen, die Lösung? "Das Thema interessiert", stellt Moderator Baehr mit Blick auf den vollbesetzten Kinosaal fest.

Für den Filmemacher Thorsten Thane ist ein Tiny House die einzige Alternative, um im Alter über die Runden zu kommen und möglichst mit anderen zusammen zu leben. Er will seinen Zirkuswagen also nicht allein und romantisch am Waldrand aufstellen, sondern plädiert für eine Gemeinschaft von mehreren mobilen Häuschen, Bau- oder Zirkuswagen, möglichst auf einer bereits erschlossenen Fläche. Er ist überzeugt, dass es sich dabei um eine Wohnform der Zukunft handelt und wirbt für den neu gegründeten Verein "Einfach gemeinsam leben".

Das alternative Pilotprojekt mit sieben mobilen Wohneinheiten kombiniert mit Bioanbau auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei bei Geretsried ist zwar vorerst nicht genehmigt worden, doch er sucht weiter. Thane hat zudem eine Petition zur Anpassung der Bauvorschriften zugunsten mobiler Kleinwohnformen vorbereitet. Es passe einfach nicht mehr, wenn zu Zeiten von Wohnungsknappheit und ständig steigenden Mietpreisen, die Vorschriften im Baugesetzbuch immer noch auf Grundstücksgrößen und Ein- und Zweifamilienhäuser abgestimmt seien, kritisiert er. Das verhindere die Genehmigung von Tiny Houses.

Zu Recht finden Dietfried Gruber und Matthias Rathke vom Wessobrunner Kreis. Tiny Houses seien eine Fortsetzung der Einfamilienhäuser und davon wolle man ja wegkommen. Zudem trügen die Minihäuschen auf ehemaligen landwirtschaftlichen- oder Fabrikgeländen noch weiter zur Zersiedelung bei. Rathke stört sich allerdings auch an den rigiden Bauvorgaben in Bezug auf Untergeschosse und Speicher, die bisher nicht als Wohnraum genutzt werden dürfen. Es gelte, familientaugliche Wohnkonzepte zu entwickeln, den Landschaftsverbrauch zu deckeln und ungenutzte Flächen, wie Supermarktparkplätze zu überplanen.

Der Wessobrunner Kreis hat dazu einen Ideenwettbewerb gewonnen und ein Konzept für variable Wohnungen, unterschiedliche Nutzungen für Jung und Alt in Modulbauweise entwickelt. Gruber erläutert eins der Konzepte, das sich auf das von Le Corbusier entwickelte Regalsystem stützt, ein Betonskelett, in das Wohnmodule eingeschoben werden können, eventuell auch Tiny Houses. Was Thane aber nicht gefällt.

Der Druck sei groß, sagt Innenarchitekt Roger Mandl und plädiert für Nachverdichtung zum Beispiel auf Garagenzeilen. Das ergebe etliche Wohnmodule, ohne dass ein Quadratmeter Boden zusätzlich versiegelt werde. Genossenschaftswohnungsbau sei ebenfalls eine Option. Die junge Generation merke, dass das Leben aus dem Vollen zu Ende gehe und man sich reduzieren müsse, sagt Baehr. Im Publikum gehen die Meiningen ebenfalls auseinander: Auch wenn klar ist, dass Tiny Houses keine Lösung gegen die Wohnungsnot sind, haben sie doch viele Sympathien. Ein Zuhörer aus Österreich schlägt vor, mit Chuzpe das Baurecht zu umgehen. "Ihr könntet alle drei Monate eure mobilen Häuschen um einen Meter verschieben."

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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