Wegen illegalen Holzeinschlages:EU-Kommission soll gegen Rumänien vorgehen

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Demonstranten gehen in Bukarest gegen die Abholzung auf die Straße. (Foto: AFP)
  • Rumänien verfügt über schätzungweise zwei Drittel aller noch erhaltenen Urwälder in der EU außerhalb Skandinaviens.
  • Umweltorganisationen zufolge werden in Rumänien massiv und illegal Wälder gefällt, die als Nationalparks ausgewiesen sind.
  • Illegaler Holzeinschlag ist im armen Rumänien ein landesweites Milliardengeschäft.

Von Florian Hassel, Warschau

Umweltorganisationen aus Rumänien, Deutschland und Großbritannien haben die EU-Kommission in einer formellen Beschwerde aufgefordert, wegen massiven illegalen Holzeinschlages gegen Rumänien vorzugehen. Der rumänischen Bürgergruppe Agent Green, der deutschen EuroNatur und der Londoner Client Earth zufolge werden in Rumänien massiv und illegal Wälder gefällt, die als Nationalparks ausgewiesen sind, als Natura-2000-Gebiete unter EU-Schutz stehen oder als Weltnaturerbe unter dem Schutz der Vereinten Nationen.

"Wir wollen mit unserer Beschwerde erreichen, dass die EU-Kommission wie zuvor im Falle Polens nun gegen Rumänien vorgeht und ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet", sagte Gabriel Schwaderer von EuroNatur. Am 17. April 2018 stoppte der Gerichtshof der Europäischen Union auf Antrag der EU-Kommision in einem Eilverfahren EU-Recht widersprechende Baumfällarbeiten im polnischen Białowieża-Urwald.

Die Verstöße in Rumänien sind indes ungleich größer als in Polen. Rumänien verfügt vor allem in seinen Bergwäldern in den Karpaten über schätzungweise zwei Drittel aller noch erhaltenen Urwälder in der EU außerhalb Skandinaviens. Illegales Holzfällen unter Beteiligung staatlicher Stellen ist in Rumänien seit Jahren ein Problem - die Regierung aber spielt es herunter. Forstminister Ioan Deneș etwa erklärte im Januar 2019 im Europäischen Parlament, illegaler Holzeinschlag beschränke sich auf private Wälder und sei "kein generelles Phänomen".

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Tatsächlich ist illegaler Holzeinschlag im armen Rumänien ein landesweites Milliardengeschäft - erst recht, seit Bukarests Beitritt zur EU 2007 den Verkauf von Holz einfacher machte, europäische Holzfirmen und Sägewerke Zweigstellen in Rumänien eröffneten und Geschäfte mitunter mit Schmiergeld beförderten. Rumäniens Sonderstaatsanwaltschaft gegen organisiertes Verbrechen (DIICOT) kam Ende Mai 2018 nach dem Durchsuchen von 23 Firmenniederlassungen zu dem Schluss, Mitglieder der Holzindustrie hätten zusammen mit Beamten etwa der Forstämter seit 2011 illegales Holzfällen in großem Maßstab organisiert. Die Polizei registriert in Rumänien jährlich 12 487 Fälle illegalen Holzfällens, so Greenpeace Rumänien.

Letzte Zuflucht für Braunbären und Luchse

Der Umweltgruppe Agent Green zugespielte Zahlen aus Rumäniens Waldinventur für die Jahre 2013 bis 2018 zufolge wurden jährlich mehr als 38 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen - offiziell erlaubt waren 18 Millionen Kubikmeter. Die rumänische Europaparlamentarierin Carmen Avram beklagte Ende Juli, in ihrer Heimat werde jede Sekunde illegal ein 20-Meter-Baum gefällt. Fast ein Drittel der rumänischen Wälder sei verschwunden, allein in den vergangenen fünf Jahren seien 243 000 Hektar Wald abgeholzt worden. Das entspricht fast der Fläche des Saarlandes.

Dabei werden Rumäniens Urwälder - letzte Zuflucht für Braunbären und Luchse, seltene Eulen, Spechte und Fledermäuse und Hunderte Insekten- und Pflanzenarten - besonders stark getroffen. 2005 schätzte die sogenannte "Pin Matra"-Studie die Urwälder auf 220 000 Hektar. Seitdem sind 45 Prozent davon Analysen von Agent Green, EuroNatur und Client Earth zufolge bereits verschwunden. Wissenschaftler der Prager Universität für Land-und Forstwirtschaft (CULS) stellten im April 2019 "schockiert" Forschungsergebnisse aus noch vor wenigen Jahren zuvor unberührten Wäldern der Făgăraș-Berge vor: Auch dort wurden Berghänge mit geschützten jahrhundertealten Bäumen kahlgeschlagen.

Umweltschützer werden in Rumänien mitunter bedroht; den Prager Wissenschaftlern wurden die Reifen ihrer Forschungsfahrzeuge zerstochen. Im Juli 2018 strich Rumäniens auch in den Regionen eng mit den Mächtigen vernetzte Regierung mit einem zuvor geheimgehaltenen Eilerlass die Rolle von "Wächtern" von Natura-2000-Naturschutzgebieten: Bis dahin konnten Bürgergruppen und Universitäten, Stadt- oder Kreisräte priviligiert und frühzeitig gegen fragwürdige Projekte oder Genehmigungen für Straßen, neue Hotels oder Schürfgenehmigungen in Nationalparks oder anderen Schutzgebieten vorgehen.

Auf europäischer Ebene beschwerten sich etwa grüne Europaparlamentarier schon 2015 bei der EU-Kommission über das illegale Holzfällen in Rumänien - messbare Folgen hatte dies nicht. In Rumänien nahm der illegale Holzeinschlag noch zu. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen warnte nach der Auswertung von Berichten und Satellitenaufnahmen im November 2017, illegales Holzfällen in rumänischen Urwäldern sei eine der "bedeutendsten Bedrohungen für Nachhaltigkeit" im europäischen Naturschutz. Auch diese Warnung blieb folgenlos.

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