Schweden:Feministische Außenpolitik

FILE PHOTO: Ann Linde, Sweden's new Minister for EU Affairs and Trade, attends a news conference after a government reshuffle, in Stockholm

„Es ist meine Aufgabe, eine Außenpolitik zu betreiben, die zur Erhaltung des Friedens beiträgt“: Ann Linde ist nach einer Kabinettsumbildung nun Schwedens neue Außenministerin.

(Foto: Reuters)

Schwedens neue Chefdiplomatin Ann Linde folgt dem Konzept, mit dem ihre Vorgängerin die Beziehungen zum Rest der Welt gepflegt hat.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Schweden hat eine neue Außenministerin. Die 57-jährige bisherige Außenhandelsministerin Ann Linde löste am Dienstag Margot Wallström als Chefdiplomatin des Landes ab, die bisher eine der bekanntesten und auch beliebtesten Figuren im Kabinett war. Wallström hatte 2014 Schwedens "feministische Außenpolitik" erfunden. Ministerpräsident Stefan Löfven stellte am Dienstag in Stockholm die neue Ministerin vor. Löfven hatte zur Eröffnung des Parlamentes nach der jährlichen Sommerpause seine Regierungserklärung verlesen. Linde war unter Löfven auch schon Ministerin für EU-Angelegenheiten und zuständig zu den Beziehungen zu den anderen nordischen Staaten.

Löfven stellte am Dienstag neben der Neubesetzung einiger Ministerposten auch die Schwerpunkte seiner Regierungspolitik fürs kommende Jahr vor. Klimakrise, ein besseres Gesundheitswesen und die tödliche Gewalt auf Schwedens Straßen nannte er als besondere Herausforderungen. Zuletzt hatte der Mord an einer jungen Mutter auf offener Straße in Malmö Schweden schockiert. "Das Ziel ist klar: Wir werden die Gewalt zurückdrängen", sagte Löfven. Die Polizei solle besser unterstützt werden, unter anderem überlege die Regierung den Ausbau der Kameraüberwachung.

Die bisherige Außenministerin Margot Wallström hatte am Freitag ihren Rücktritt erklärt. Nach fünf Jahren Dienst in der Regierung wolle sie mehr Zeit für Ehemann, Kinder und Enkelkinder, erklärte Wallström, die Ende diesen Monats 65 Jahre alt wird. Wallström hatte in der Vergangenheit auch als EU-Kommissarin in Brüssel gearbeitet und war zwei Jahre lang die erste Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für sexuelle Gewalt in Konfliktgebieten gewesen.

Weltweit bekannt wurde Wallström mit ihrem Konzept der feministischen Außenpolitik, das sie gleich nach ihrem Amtsantritt im Oktober 2014 vorstellte. Die Ministerin erklärte, dass die Diplomatie sich weltweit diese drei Fragen stellen solle: Haben Frauen die gleichen Rechte? Sitzen sie mit am Tisch der Entscheider? Und haben sie den gleichen Zugang zu Ressourcen? Am Ende, so das Argument, werde jeder Fortschritt in Sachen Gleichberechtigung der Frau auch einen Fortschritt bei den klassischen Zielen der Außenpolitik wie Frieden und Sicherheit mit sich bringen. Im vergangenen Jahr stellte Schweden gar ein "Handbuch zur feministischen Außenpolitik" vor. Schweden, heißt es in dem Handbuch, habe seine neue Art der Außenpolitik "als Reaktion auf die Diskriminierung und systematische Unterordnung" begonnen, "die noch immer das Leben zahlloser Frauen und Mädchen auf der Erde bestimmen". Wallström baute auch den eigenen diplomatischen Dienst um: Heute werden 40 Prozent der Botschaften Schwedens von Frauen geleitet.

Konflikte hat sie selten gescheut. Israel verärgerte sie nachhaltig, als sie Schweden dazu brachte, als erstes EU-Land Palästina als eigenständigen Staat anzuerkennen. Nachdem sie 2016 Israels Armee "außergerichtliche Tötungen" von Palästinensern vorwarf, erklärte Israel sie zur unerwünschten Person. Auch mit Saudi-Arabien gab es diplomatische Spannungen. 2015 war in dem Land der kritische Blogger Raif Badawi öffentlich ausgepeitscht worden wegen "Beleidigung des Islam". Wallström nannte Saudi-Arabien daraufhin eine Diktatur und das Urteil gegen den Blogger "mittelalterlich". Nur wenige öffentlich kritische Worte fand Wallström hingegen gegenüber China, dessen Sicherheitsapparat Ende 2015 den Hongkonger Buchhändler und Verleger chinakritischer Bücher Gui Minhai aus Thailand hatte entführen lassen. Gui ist schwedischer Staatsbürger, und sitzt bis heute in einem chinesischen Gefängnis, selbst Diplomaten anderer EU-Länder zeigten sich immer wieder irritiert über das anhaltende Schweigen aus Stockholm, Menschenrechtler werfen Schweden vor, in diesem Falle Geschäftsinteressen über das politisch Gebotene zu stellen.

Am Dienstag erklärte die neue Ministerin Ann Linde, sie wolle die feministische Außenpolitik Wallströms beibehalten. "Die Demokratie befindet sich im Niedergang", sagte sie zudem bei einer Pressekonferenz nach ihrer Ernennung. "Es ist meine Aufgabe, eine Außenpolitik zu betreiben, die zur Erhaltung des Friedens beiträgt." Linde wird bald Gelegenheit haben, zu zeigen, wie sie sich zu China positioniert: Noch am Dienstag veröffentlichten Schwedens Liberale im Svenska Dagbladet einen offenen Brief, in dem sie die Regierung aufforderten, Solidarität mit den Demonstranten in Hongkong zu zeigen. Unter anderem solle die Regierung Pekings Politik verurteilen und im Notfall dafür sorgen, dass Flüchtlinge aus Hongkong in der Europäischen Union aufgenommen würden. Die Liberalen sind eine der beiden kleinen Parteien, auf deren Unterstützung die Minderheitsregierung der Sozialdemokraten angewiesen ist.

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