Atomunfall in Japan:Radioaktives Wasser aus Fukushima könnte in den Pazifik strömen

FILE PHOTO: Storage tanks for radioactive water are seen at tsunami-crippled Fukushima Daiichi nuclear power plant in Okuma

In etlichen Tanks wird kontaminiertes Wasser aus der Atomruine Fukushima Daiichi zwischengelagert.

(Foto: REUTERS)
  • Die japanische Regierung erwägt, radioaktives Wasser aus dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima Daiichi in den Pazifik zu leiten.
  • Die Kapazitäten zur Zwischenlagerung seien bald erschöpft, so die Betreiberfirma.
  • Das Wasser wird vor Ort aufbereitet, um möglichst viele radioaktive Isotope zu entfernen, ist aber noch beispielsweise mit Tritium belastet.

Von Christoph von Eichhorn

Betrachtet man das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi via Satellit mit Google Maps, sieht man sie sofort: Hunderte runde weiße und blaue Tanks, eng nebeneinandergestellt in allen Winkeln des Geländes. Sie sind randvoll mit radioaktivem Wasser und zeugen von den Folgen der Nuklearkatastrophe vor acht Jahren, von Kernschmelzen in drei Reaktorblöcken.

Noch immer droht das Unglück die Umwelt zu verseuchen. Grundwasser dringt von außen in die Atomruine ein und wird dort mit radioaktiven Isotopen von Elementen wie Cäsium oder Strontium kontaminiert. Hinzu kommt Wasser, das zur Kühlung der Brennstoffkerne benötigt wird.

Bis zu 150 Tonnen belastetes Wasser am Tag muss die Betreiberfirma Tepco abpumpen, damit es nicht in die Natur gelangt. Doch langsam wird der Platz zur Aufbewahrung knapp, wie unschwer aus der Luft zu erkennen ist. Ab 2022 könne man keine weiteren Tanks mehr aufstellen, behauptet Tepco. Daher erwägt die japanische Regierung nun, das angestaute Wasser in den Pazifik zu leiten. "Die einzige Möglichkeit wird sein, das Wasser ins Meer abzuleiten und zu verdünnen", erklärte Umweltminister Yoshiaki Harada am Dienstag. Die Regierung werde das diskutieren. Kabinettsminister Yoshihide Suga beeilte sich zu erklären, Haradas Äußerungen seien "seine persönliche Meinung". Die Regierung in Tokio will zunächst auf den Bericht einer Expertenkommission warten, bevor sie eine Entscheidung trifft.

Ionentauscher entfernen radioaktive Isotope - doch die Filterung hat Grenzen

Schon jetzt stößt der Plan auf Widerstand von Nachbarstaaten wie Südkorea. Im August hatte Seoul einen hochrangigen japanischen Botschaftsmitarbeiter einbestellt, um zu klären, wie mit dem Fukushima-Wasser umgegangen wird. "Wir hoffen nur, mehr Details über die laufenden Diskussionen in Tokio zu erfahren, damit es keine Überraschung gibt", sagte ein südkoreanischer Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters. Das südkoreanische Außenministerium erklärte, es habe Japan gebeten, "eine kluge und vorsichtige Entscheidung in dieser Frage zu treffen". Auch die japanische Fischerei ist dagegen, das Wasser in den Pazifik zu leiten. Die Fischer fürchten Importverbote, die andere Staaten gegen japanischen Fisch verhängen könnten.

Tepco filtert das Wasser zunächst, um es von Radionukleiden zu befreien. Dazu fließt das abgepumpte Wasser durch sogenannte Ionentauscher, riesige Röhren, die mit kieselartigem Material befüllt sind. Strontium- und Cäsiumisotope werden dabei entfernt. Das Problem der Radioaktivität wird dadurch indes nur verlagert. Die Isotope lagern weiterhin als dickflüssige, hochgiftige Brühe in Tausenden Fässern auf dem Gelände.

Im Wasser selbst verbleibt beispielsweise Tritium. Diese schwere Variante des Wasserstoffs verbindet sich mit Sauerstoff zu einem Wassermolekül, das selbst radioaktiv ist, also Strahlung abgibt. Da sich die physikalischen Eigenschaften kaum von gewöhnlichen Wassermolekülen unterscheiden, lässt sich das Tritium-Wasser nur schwer entfernen. 2018 musste Tepco zudem einräumen, dass die Ionentauscher auch Jod-129 unzureichend herausfiltern. Dieses Isotop hat eine Halbwertszeit von 15 Millionen Jahren und strahlt daher sehr lange.

Nun soll geklärt werden, ob die verbleibenden Mengen an Radioaktivität gering genug sind, um das Wasser im Meer zu entsorgen. Experten weisen darauf hin, dass auch eine dauerhafte Lagerung an Land Risiken birgt, etwa wenn erneut ein Tsunami den Küstenabschnitt trifft und die Tanks beschädigt. Es sei besser, das Wasser langsam und kontrolliert abzulassen, als infolge eines Unfalls unkontrolliert.

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