Jugendschutz im Landkreis:Kindesmissbrauch: Ebersberger Bevölkerung immer aufmerksamer

Jugendämter prüften 107 000 Gefährdungen des Kindeswohls

Symbolfoto.

(Foto: dpa)

Immer mehr Menschen weisen das Jugendamt auf möglicherweise misshandelte oder gefährdete Kinder hin. Wann das Landratsamt zur Ultima Ratio greift.

Von Elisabeth Urban, Ebersberg

In 130 Fällen hat das Jugendamt Ebersberg im vergangenen Jahr Hinweise darauf bekommen, dass Kinder in ihren Familien misshandelt oder auf andere Weise gefährdet sein könnten. Die eingehenden Meldungen nähmen immer mehr zu, sagt Jugendamtsleiter Christian Salberg, der das als Zeichen für eine zunehmende Sensibilisierung in der Bevölkerung sieht: "Das Kreisjugendamt begrüßt diese Entwicklung, weil sie belegt, dass Kinderschutz im Landkreis einen hohen Stellenwert genießt und viele Personen und Institutionen darauf achten."

Von wem die Meldungen kommen, ist dabei ganz unterschiedlich, mal sind es getrennt lebende Elternteile, mal Nachbarn, Lehrer oder Schulsozialarbeiter. Natürlich müsse man auch im Blick haben, wie die Person zur Familie steht und dass die Empfindung, welches Verhalten angemessen und welches gefährdend ist, immer subjektiv sei. Christian Salberg und Martin Gansel, der die pädagogische Jugendhilfe leitet, ist es aber auch wichtig zu betonen, dass man allen Meldungen nachgehe, wenn diese genug Daten zur Kontaktaufnahme mit der Familie enthalten.

Weil das Jugendamt aber aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Rückmeldung an die Personen geben dürfe, die Auffälligkeiten berichtet haben, entstehe oft fälschlicherweise der Eindruck, das Jugendamt habe sich nicht um das Anliegen gekümmert.

Wenn das Jugendamt also eine Information erhält, die Anhaltspunkte bietet, dass das Wohl des Kindes tatsächlich gefährdet ist, erfolgt ein Besuch von mindestens zwei Mitarbeitern bei der betroffenen Familie. In den seltensten Fällen endet das aber dann damit, dass das Jugendamt sofort in die Familien eingreift und die Kinder von ihren Eltern trennt. Dies sei absolut nicht der Regelfall, so Gansel. "Wir greifen da in das Grundrecht der Eltern ein, deswegen hat der Gesetzgeber da eine hohe Hürde gesetzt", erläutert Salberg.

Mit einem umfangreichen, standardisierten Auswertungsbogen werde festgehalten, ob es Anhaltspunkte beim Kind, im Lebensumfeld und bei der Kooperation mit dem Jugendamt gebe, die für eine vorläufige Schutzmaßnahme, also die kurzzeitige Unterbringung des Kindes außerhalb der Familie sprechen. "Es ist die Ultima Ratio", sagt Salberg. Meist reichten anderweitige Unterstützungsangebote des Jugendamtes aus. Tatsächlich seien etwa 85 Prozent der Tätigkeiten der Behörde präventiv und begleitend, man stehe so mit 800 Familien im Landkreis in Kontakt, erklärt Gansel. Interventionen stellten nur 15 Prozent der gesamten Arbeit dar.

Bereitschaftsfamilien für den Worst Case

Leitet das Jugendamt aber tatsächlich einmal eine Inobhutnahme ein, geschieht das in mehr als der Hälfte der Fälle auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Kinder oder Jugendlichen. Doch auch dann, wenn nach Einschätzung der Jugendamtsmitarbeiter eine akute Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, müssen sie handeln und die Betroffenen aus den Familien nehmen. In diesen Fällen stehen im Landkreis sogenannte Bereitschaftspflegefamilien zur Verfügung, die ein vorläufiges Zuhause bieten sollen, bis das weitere Vorgehen geklärt ist. "Das ist wirklich ein hohes Gut, das wir im Landkreis haben", so Salberg.

Eine andere Unterbringungsmöglichkeit sind sogenannte Schutzstellen, die beispielsweise in Feldkirchen oder München vorhanden sind. In ganz Bayern wurden 2018 insgesamt 3944 vorläufige Schutzmaßnahmen ergriffen, davon waren allerdings 1094 durch die unbegleitete Einreise Minderjähriger aus dem Ausland bedingt. Im Landkreis Ebersberg entschied sich das Jugendamt in zehn Fällen für eine solche Schutzmaßnahme, bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern sei mittlerweile meist keine Schutzmaßnahme mehr nötig.

Wenn die Eltern eines Kindes der vorläufigen Unterbringung zustimmen, muss nicht zwangsläufig das Gericht eingeschaltet werden. Letztendlich gehe es darum, gemeinsam eine Perspektive für Eltern und Kind zu entwickeln. Wenn es tatsächlich um das langfristige Sorgerecht für ein Kind geht, treffe diese Entscheidung außerdem das Familiengericht, nicht das Jugendamt, betont Gansel.

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