Ausstellung "Look at us":Grenzen überwinden

Ausstellung "Look at us": Jae-Hyun Yoo mit einem Plakat zur Ausstellung "Look at us".

Jae-Hyun Yoo mit einem Plakat zur Ausstellung "Look at us".

(Foto: Hartmut Pöstges)

Jae-Hyun Yoo stammt aus Südkorea und lebt in Bairawies. Er kuratiert die Ausstellung des Nordkoreaners Sun Mu in München

Von Anja Brandstäter, Bairawies

Jae-Hyun Yoo hat in seinem Leben schon viele Grenzen überschritten. Seit einigen Jahren lebt der gebürtige Südkoreaner mit seiner Familie in Bairawies - zusammen mit einer Herde Schafe, sechs Islandpferden, sechzehn Hühnern, zwei Eseln, einer Katze und einem Hund. "Hier ist es wie im Paradies", sagt er. "Ich kann frei arbeiten, das könnte ich in Korea nicht". Seit Monaten bereitet Jae-Hyun Yoo als Kurator die Ausstellung "Look at us" des Künstlers Sun Mu vor, die am Freitag, 13. September, im Münchner Kunstraum eröffnet wird - ein Mammutprojekt.

Der 1972 geborene Künstler Sun Mu stammt aus Nordkorea. Dort arbeitete er als Propagandamaler der Armee, bis er in den 1990er Jahren vor der Hungersnot flüchtete. Über China, Thailand und Laos gelangte er nach Südkorea. Heute lebt und arbeitet er in Seoul. Sun Mu ist ein Pseudonym und bedeutet so viel wie "ohne Grenze". Um seine Familie in Nordkorea zu schützen, verschweigt er seinen richtigen Namen und zeigt sich auf Fotos allenfalls vermummt. In seinen Gemälden setzt er sich mit der Repräsentation und Darstellung der beiden koreanischen Staaten auseinander und stellt immer wieder überraschende Beziehungen her. Deshalb wurden seine Bilder in Südkorea bereits mehrmals zensiert.

Jae-Hyun Yoo traf Sun Mu 2008 in Korea, als er mit seiner Frau, Farida Heuck, Interviews für eine Forschungsarbeit über den Grenzraum zwischen Nord- und Südkorea führte. "Das Interview mit Sun Mu hat mich unglaublich berührt", erzählt er. "Seine Flucht war ein Horrortrip. Er war mutig, neugierig und selbstkritisch." Schon damals habe er den Wunsch gehabt, Sun Mus Werke in Deutschland zu zeigen.

Jae-Hyun Yoo ist in Südkorea geboren. Sein Großvater kam nicht aus dem Koreakrieg zurück. "Als ich klein war, habe ich immer gehofft, dass mein Opa noch lebt. Ich stellte mir vor, dass er in Nordkorea vielleicht eine neue Familie gegründet hat." Schon damals habe er mehr über Nordkorea erfahren wollen. Wie alle Kinder in Südkorea sei er streng antikommunistisch erzogen worden. "In der ersten Klasse haben wir Plakate gegen Kommunisten gemalt. Es hieß immer, die Kommunisten greifen uns an und sind böse." Auch im Staatsfernsehen sei Propaganda an der Tagesordnung gewesen. "Wir durchliefen regelrecht eine Gehirnwäsche."

Nach der Schule war er 26 Monate als Soldat an der innerkoreanischen Grenze stationiert, in einer unwirtlichen Bergregion mit eiskalten Nächten. Er verteilte Lebensmittel und Kleidung an Grenzsoldaten. "In dieser Zeit begann mich das Thema Grenze sehr zu beschäftigen und ich habe viel Literatur, unter anderem über die deutsch-deutsche Grenze, gelesen."

Später studierte er Kunsterziehung in Seoul; 2001 nahm er ein Studium der bildenden Künste an der Universität Berlin auf. An seine Ankunft in Tegel an einem kalten Februartag erinnert er sich noch gut. "Ich bin ins Zentrum gefahren. Es kam mir vor wie in Seoul - alles zubetoniert." Auch die Mauer sei noch spürbar gewesen. Ein deutscher Kommilitone habe ihn gewarnt, ja nicht nach Ostberlin zu fahren, dort gäbe es zu viele Neonazis.

Neben dem Kunststudium nahm Yoo an Politik-Vorlesungen teil. Seinen Fokus legte er auf den Unterschied der beiden ehemaligen Systeme in Deutschland und auf die Wiedervereinigung. Nach seinem Studium blieb er in Berlin und kuratierte Ausstellungen. Dabei lernte er seine Frau, die Künstlerin Farida Heuck, kennen, eine Nichte der Kinderbuchautorin Sigrid Heuck. Ein Thema verband sie sofort: Grenzen und die damit einhergehende Migration. Zusammen reisten sie mehrmals in die innerkoreanische Grenzregion.

Die beiden heirateten, bekamen zwei Kinder und entschieden sich, in die Heimat von Farida Heuck, nach Bairawies, zu ziehen. "Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit", sagt Jae-Hyun Yoo. Vor vier Jahren hat er in Berlin eine Demonstration gegen die damalige Präsidentin von Südkorea, Park Geun-hye, organisiert. Man warf ihr Wahlmanipulation vor. "Daraufhin wurde meine Familie in Korea vom Geheimdienst überwacht." Als er seinen kranken Vater besuchen wollte, beantragte er bei der Deutschen Botschaft in Seoul Personenschutz.

Der Gedanke, Sun Mus Arbeiten in München auszustellen, wurde vor zwei Jahren konkret. Damals lernte er den Künstler und Kurator Alexander Steig kennen, der von der Idee begeistert war. Als Ausstellungsraum konnten die beiden den Kunstraum München, der vom Kunstreferat der Stadt gefördert wird, gewinnen. Mit Hilfe des Kulturreferats hat Sun Mu ein Gastzimmer und ein Atelier im Kreativ Quartier Domagk erhalten. Seit Juli arbeitet er dort an seiner Ausstellung.

Jae-Hyun Yoo hat ein reichhaltiges Rahmenprogramm mit Künstlergesprächen, einer Filmvorführung und Gastvorträgen auf die Beine gestellt und mit Hilfe privater Sponsoren einen Katalog herausgebracht. Finanzielle Unterstützung erhält das Projekt auch von der Petra Kelly Stiftung.

Sun Mu: "Look at us", Vernissage am Freitag, 13. September, 19 Uhr, Kunstraum München, Holzstraße 10, bis 10. Oktober, Infosz unter www.kunstraum-muenchen.de

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