Deutschland und China:Die Zeit der Sonnenschein-Politik ist vorbei

Joshua Wong, Pro-Democracy Activist In Hong Kong, Visits Germany

Joshua Wong, Aktivist und Politiker aus Hongkong, in Berlin.

(Foto: Getty Images)

Die Handelsbeziehungen gedeihen prächtig, aber der Besuch des Hongkonger Freiheitskämpfers Joshua Wong zeigt: Die Geschäfte haben einen politischen Preis.

Kommentar von Stefan Kornelius

Für ein politisches und wirtschaftliches Schwergewicht wie Deutschland gibt es eine einfache außenpolitische Regel: Gehst Du nicht zur Krise, dann kommt die Krise eben zu Dir. Das gilt für Afrika und seine Migranten, das gilt für Syrien, das gilt für die vielen Konflikte auf dem Balkan. Und nun lernt Deutschland, dass selbst Konflikte in ungeheurer Distanz wie der Kampf um die Demokratie in Hongkong früher oder später in Berlin ankommen werden - diesmal in Person des Aktivisten Joshua Wong, der mit der Botschaft nach Deutschland reiste, dass Schweigen bestraft wird und Deutschlands Stimme Gewicht hat in China.

Fairerweise muss man sagen, dass die Bundesregierung nie geschwiegen hat. Kanzlerin Angela Merkel hat Hongkong während ihrer letzten China-Reise angesprochen und die Einhaltung von Menschenrechten und Verträgen eingeklagt. Es gibt niemanden in Regierung und Opposition, der das nicht täte. Man sollte diese Mahnungen nicht unterschätzen. Sie werden von den Demokratieverfechtern begierig aufgesogen und von der chinesischen Führung verteufelt. Entsprechend das diplomatische Geplänkel mit der Einbestellung des deutschen Botschafters in Peking. Was aber dann?

Alle Geschäfte haben einen politischen Preis

Deutschlands Gewicht in China ergibt sich aus der wirtschaftlichen Verflechtung. 200 Milliarden Euro Handelsvolumen, einigermaßen ausgeglichen, ein Drittel der Handelsströme mit der gesamten EU - das sind beeindruckende Zahlen. Dazu kommen 81 Milliarden Euro deutsche Direktinvestitionen in China. Hinter den Zahlen steht die Botschaft der deutschen Exporteure, das Geschäft bitte nicht kaputt zu machen.

Joshua Wong hat bei seiner Visite in Berlin eine ganz andere Botschaft deponiert: Die Zeit der Sonnenschein-Politik ist vorbei, stellt Euch auf noch mehr Konflikte ein, Neutralität gibt es nicht. Wong internationalisiert mit seiner Reise also das Anliegen der Demokratiebewegung, er treibt den Preis für Peking und für Berlin nach oben. Das ist legitim und sollte beiden Seiten bewusst machen, dass sie keine Beziehungen im Vakuum pflegen und Geschäfte immer auch einen politischen Preis haben.

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