Kurzkritik:Unentdeckt

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"Of Cabbages and Kings" und "Side Effects" in der Unterfahrt

Von Oliver Hochkeppel, München

Die in Köln beheimatete Band Of Cabbages and Kings und das Berliner Quintett Side Effects sind beide international besetzt und preisgekrönt. Dass es trotzdem noch für kein "normales" Konzert in der Unterfahrt reicht, sondern sie zusammen in der Nachwuchsreihe "Unheard" antreten, sagt einiges über den Aufschwung des europäischen und deutschen Jazz in den vergangenen Jahren aus, über den steten Zuwachs herausragender junger Musiker und den Konkurrenzkampf. Bei beiden darf man allerdings erwarten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie sich ganz allein im Rampenlicht präsentieren dürfen, so überzeugend waren ihre Auftritte.

Was für Of Cabbages and Kings schon deswegen gilt, weil A-Cappella-Damenquartette rar gesät sind. Und so eines gibt es überhaupt noch nicht: Eines, bei dem Lyrik-Lesung und Jazzkonzert miteinander verschmelzen, ob nun Shakespeare-Sonette, Wilhelm-Busch- oder Hannah-Arendt-Gedichte die Vorlagen abgeben oder tiefsinnige eigene Texte. Unglaubliche Präzision bei Intonation, Timing und Artikulation ist die Basis für die hochkomplexen und doch zugänglichen Kunststücke, die Verena Morscher, Laura Totenhagen, Rebekka Salomea und Zola Mennenöh da vollführen. Extrem kunstvoll ist das und deshalb so besonders wundervoll, weil das Artifizielle und Experimentelle immer im Dienst von Musik und Text stehen.

Danach anzutreten, ist eine harte Nuss für ein konventionell mit Rhythmusgruppe, Saxofon und Trompete besetztes Quintett, das keine Sensationen anstrebt, sondern einfach seinen Jazz spielen will. Doch die Truppe des aus Bad Tölz stammenden Bassisten Tom Berkmann bestand die Prüfung. Ihr mit klugen Einfällen, überraschenden Wechseln und Stil-Zitaten garnierter Post-Bop bestach durch das Miteinander von scharfer Rhythmik und weicher Melodik. Ebenfalls auf der Grundlage exzellenter Spieltechnik jedes einzelnen. Wenn das so weitergeht, könnte die "Unheard"-Reihe zu einem Entdeckerspielplatz im Star-gespickten Unterfahrt-Programm werden.

© SZ vom 13.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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