Nestlé:Abschied vom Plastik

A sachet of Nestle's Nescafe coffee is pictured amidst a garbage-filled shore in Freedom Island, Paranaque City

Nestlé gehört einem Ranking zufolge weltweit zu den drei größten Verursachern von Plastikmüll.

(Foto: Eloisa Lopez/Reuters)

Der Nahrungsmittelkonzern eröffnet ein Institut für Verpackungstechnologie, um sein Müll-Problem anzugehen. Doch die neuen Ideen überzeugen nicht.

Von Isabel Pfaff, Lausanne

Könnte das die Zukunft sein? Der Nestlé-Mitarbeiter fischt einen der berühmten Nescafé-Sticks aus einem Behälter: eine in Plastik verpackte Mini-Portion Kaffee. Dann zeigt er auf einen Nescafé-Spender, der das Instant-Pulver direkt in eine Tasse füllt. "83 Prozent weniger Verpackungsmaterial", verkündet er stolz. Mehrere Tausend dieser Spender seien weltweit schon im Umlauf.

Donnerstagnachmittag im Nestlé-Forschungszentrum oberhalb von Lausanne. Der weltweit größte Nahrungsmittelkonzern eröffnet sein Institut für Verpackungstechnologie - "das erste seiner Art" in der gesamten Branche, wie das Unternehmen mitteilt. Angekündigt hat Nestlé das Institut schon vergangenen Dezember, als wichtigen Baustein seiner Nachhaltigkeitsagenda, die unter anderem vorsieht, alle Nestlé-Verpackungen bis 2025 recycelbar oder wiederverwendbar zu machen. Ein ambitioniertes Ziel für ein Unternehmen, das sehr viel Geld mit Wasser in Plastikflaschen, Espresso-Kapseln oder den erwähnten Mini-Kaffee-Portionen verdient.

Doch die Konsumgüterindustrie steht unter Druck. Weil die Plastikverpackungen von Nestlé, Coca-Cola oder Unilever inzwischen auf der ganzen Welt Landschaften und Meere verschmutzen, geraten sie immer öfter unter Beschuss von Umweltschützern und kritischen Verbrauchern. Die Bewegung "Break free from plastic", ein Verbund von rund 1500 Organisationen, die eine massive Reduktion von Einweg-Plastik fordern, hat 2018 mit Hilfe von 10 000 Freiwilligen Plastikmüll auf sechs Kontinenten eingesammelt und danach die größten Verursacherfirmen in einem Ranking aufgelistet. Die Top 3: Coca-Cola, Pepsi und Nestlé, dicht gefolgt von Danone, Mondelez, Procter & Gamble und Unilever. Inzwischen haben einige der wichtigsten Konsumgüterkonzerne Selbstverpflichtungen abgegeben. Danone etwa will all seine Verpackungen bis 2025 wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar machen; genauso Unilever. Nestlé ist also mit seinem Gelübde nicht allein.

An dem Institut arbeiten 35 Wissenschaftler, bald sollen es 60 sein

Das neue Verpackungsinstitut ist dagegen tatsächlich ein Novum. Nestlé will damit "Pionierarbeit bei umweltfreundlichen Verpackungsmaterialien" leisten, anstatt weiter abhängig von den Partnern in der Verpackungsindustrie zu sein. Das Institut konzentriert sich grob gesagt auf drei Bereiche: die Entwicklung von Materialien, die sich besser recyceln lassen, Forschung an biologisch abbaubaren Materialien sowie die Entwicklung von Mehrwegverpackungen und -systemen. Im Moment arbeiten 35 Wissenschaftler in dem Institut, bald sollen es rund 60 sein.

Einige von ihnen zeigen bei einem Rundgang, woran sie arbeiten: an papierbasierten Verpackungen zum Beispiel, die ähnlich undurchlässig wie Plastik sind, aber als Papier recycelt werden können. Die Yes-Riegel von Nestlé oder auch das Kakaopulver Nesquik stecken bereits in diesen Papierhüllen. Die Forscher versuchen auch, Verpackungsmaterialien zu vereinfachen, um weniger Ressourcen einsetzen zu müssen, etwa indem man die Aluminiumschicht in einem Verpackungsbeutel weglässt.

Insgesamt wirken die präsentierten Ideen und Materialen jedoch nicht so richtig überzeugend. Vor allem das Umsatteln von Plastik auf Papier wirft Fragen auf. Greenpeace Schweiz warnte im Frühjahr in einem Nestlé-Papier vor der "Scheinlösung Materialsubstitution", weil sich damit das Problem nur verlagere: von verschmutzten Meeren auf die Ausbeutung von klimarelevanten Wäldern. Greenpeace fordert von Nestlé, sich ganz von Wegwerfmaterialien zu verabschieden und vor allem auf Nachfüll- und Mehrwegsysteme zu setzen. Zwar präsentieren die Nestlé-Forscher auch solche Lösungen, neben dem Nescafé-Spender gibt es Mehrweg-Dosen für Eiscreme zu sehen oder auch Katzenfutter-Container, die versiegelt in die Läden geliefert werden, wo sich Kunden die gewünschte Portion abfüllen können. Keine besonders revolutionären Ideen - noch dazu sind die meisten dieser Produkte entweder noch gar nicht auf dem Markt oder nur sehr begrenzt erhältlich. Eine beherzte Mehrwegstrategie sieht anders aus.

Wie um die Zweifel zu zerstreuen, verkündet Nestlé am selben Tag auch noch sein neues Klimaziel: Bis 2050 will der Konzern seine Netto-Treibhausgasemissionen auf null senken, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Prozent zu begrenzen. Dafür will Nestlé mehr pflanzenbasierte Produkte ins Portfolio nehmen, mehr Energie aus erneuerbaren Quellen nutzen und sich um die Wiederaufforstung von Wäldern bemühen. Doch auch hier macht der Konzern einen zögerlichen Eindruck: Einen konkreten Zeitplan soll es nämlich erst in zwei Jahren geben.

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