Kunstmarkt:Die Kunst zu überleben

KAYA (Kerstin Brätsch and Debo Eilers) 
Performance Bärenzwinger, Berlin 2018

Die junge Galeristen Deborah Schamoni zeigt die Performance "Bärenzwinger" von KAYA (Kerstin Brätsch and Debo Eilers).

(Foto: Kaya/Deborah Schamoni)

Galerien und freie Ausstellungsmöglichkeiten sind wichtig für den Standort München. Dieser hat ein Problem - und versucht es mit verschiedenen Mitteln in den Griff zu bekommen

Von Evelyn Vogel

Die Auguren rufen: Auslaufmodell! Erklären Galerien in Zeiten des Internets als nicht mehr zeitgemäß. Und die Zahlen scheinen ihnen Recht zu geben. Nach Auskunft des Bundesverbandes deutscher Galeristen und Kunsthändler, in dem etwa 350 von bundesweit gut 700 Galerien organisiert sind, geben deutschlandweit etwa 30 Galeristen pro Jahr aus wirtschaftlichen, aber auch aus Altersgründen auf. Und doch gibt es immer wieder Neugründungen von Galerien, setzen jüngere Nachfolger aus der eigenen Familie oder von außen die Erfolgsgeschichte langjähriger Galeristen fort.

Dass die Szene sich aber in einem bedeutsamen Umbruch befindet, ist unübersehbar. Wer groß und finanziell potent genug ist, springt auf den Globalisierungszug auf, gründet internationale Ableger, geht auf Kunstmessen weltweit, verstärkt sein virtuelles Geschäft. Zurück bleiben - trotz aller technischer Möglichkeiten, sich zu vernetzen und sich überregional zu präsentieren - die kleinen und mittleren Galerien. Sie werden meist von den Gründern und mit einem kleinen Team geführt. Wenn diese Gründergeneration dann in die Jahre kommt und kein Nachwuchs den Standort attraktiv findet, bekommt die Galerieszene einer Stadt schnell ein Problem. Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler, will zwar nicht von einem generellen Generationenproblem sprechen, weiß aber auch: "Die Akteure, die wir aus den vergangenen Jahrzehnten kennen, stellen sich vermehrt die Frage: Aufgabe oder Übergabe?"

Blickt man nach München mit seinen etwa 60 Galerien, zeigt sich sehr wohl ein Generationenproblem. All die Galeristen, die vor 30, 40, ja gar 50 Jahren anfingen und den Ruf der Stadt auf dem Kunstmarkt begründeten, sind heute mindestens im besten Rentenalter oder darüber hinaus. Und auch wenn man in diesem Beruf anders taktet, spätestens der Tod von Karl Pfefferle, der Anfang des Jahres plötzlich starb, brachte viele zum Nachdenken. Nur bei wenigen Galeristen - wie bei Jahn, Thomas, Six Friedrich oder Vogdt - sind die Kinder eingestiegen, um das Geschäft fortzuführen oder Ableger zu gründen. Und die Jungen wissen, der Markt hat sich gewandelt, die Konkurrenz ist härter geworden. Sie erkennen aber auch: Gemeinsam ist es für kleinere Galerien leichter, neben den Global Playern zu bestehen. Und zusammen mit den Institutionen aufzutreten hilft, als Teil der Kunstszene gesehen zu werden.

Was die Galerieninitiative Münchens schon vor mehr als drei Jahrzehnten mit dem "Open Art"-Wochenende wenigstens zeitweilig pflegt, setzt der vor zwei Jahren gegründete Verein zur Förderung der Außenwahrnehmung Münchens als Kunststandort, kurz VFAMK, und die von ihm ins Leben gerufene Initiative "Various Others" nun ganz oben auf die Agenda. Sie will die Galerien in der öffentlichen Wahrnehmung als Teil der Kunstszene etablieren - und nicht als private Konkurrenz zu den staatlichen und städtischen Museen und anderen öffentlichen Institutionen.

Und ein Umdenken scheint allenthalben einzusetzen. Nicht nur, dass unter dem Label von "Various Others" Galerien, kleine unabhängige Kunsträume und Museen gleichwertig nebeneinander stehen. Auch hat es der Verein im vergangenen Jahr bei einem Runden Tisch geschafft, die Stadt davon zu überzeugen, dass Galerien ein unabdingbarer Teil einer lebendigen Kunstszene und trotz ihrer Privatwirtschaftlichen Struktur förderungswürdig sind - und ähnlich wie junge Künstler gefördert werden müssen, wenn sie überleben sollen. Denn gerade die jungen, die neue Galerien und Projekträume gründen, schaffen in dem teuren München mit den hohen Mieten die gefürchtete Fünf-Jahres-Marke oft nicht. Die besagt, nur wer fünf Jahre durchhält, hat überhaupt eine Chance auf dem Markt. Von Erfolg ist da noch lange nicht die Rede. Und fünf Jahre wollen erst einmal finanziert sein. Zu schaffen macht den Junggaleristen auch die Tendenz, so Kristian Jarmuschek vom Bundesverband Deutscher Galerien, "dass Sammler sich vermehrt nur für etablierte Künstler interessieren. Deshalb gehen junge Galerien, die ausschließlich auf die Präsentation künstlerischen Nachwuchses setzen, ein enormes Risiko ein."

Die im Oktober vergangenen Jahres vom Münchner Kulturausschuss beschlossene Fördermaßnahme setzt hier an. Da heißt es: "Galerien sind aus verschiedenen Gründen zunehmend in ihrer Existenz bedroht. Sie sind jedoch für das Renommée der Kunststadt München von essentieller Bedeutung." In der Folge hat der Kulturausschuss beschlossen, jährlich 50 000 Euro für die Förderung von Galerieprojekten bereitzustellen. Mit je 7500 Euro sollen von diesem Jahr an sechs Galerien und Off-Spaces unterstützt werden. Die Auswahl geschieht über ein Juryverfahren, ähnlich den Kinoprogrammpreisen. Dafür und zur Ausrichtung der Preisverleihung stehen 5000 Euro zur Verfügung.

7500 Euro - kann dieser Betrag die Existenz einer Galerie sichern? Der Galerist Johannes Sperling, der die Fünf-Jahres-Marke noch nicht geschafft hat, gibt unumwunden zu, dass selbst eine solch bescheidene Summe eine gewaltige Hilfe sein kann. Als einer der Mitinitiatoren des Vereins hinter "Various Others" freut er sich vor allem über das Signal, das der Förderbeschluss aussendet. Der Preis sei ein "Schritt in die richtige Richtung", man freue sich, "dass das Kulturreferat entsprechenden Handlungsbedarf erkannt hat und das Engagement der Galerien und Off-Spaces für das kulturelle Leben der Stadt würdigt".

Ähnlich sieht es die Initiative Münchner Galerien zeitgenössischer Kunst, die in den vergangenen Jahren Mitglieder eingebüßt hat und gerade auf der Suche nach Erneuerung ist. So sagte Charlotte Smudajescheck nach Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber der SZ: "Galerien arbeiten mit großem Engagement und oft am Rande der Rentabilität. Die Chance, einen Preis und Publizität zu gewinnen, ist für Galerien und Kunstschaffende eine bedeutende Hilfe, innovative Ausstellungskonzepte, die sich nicht unmittelbar wirtschaftlich rechnen, zu riskieren. Dem Kunststandort München tut das langfristig gut." Und den Galeristen vor Ort hilft es zu beweisen: Totgesagte leben länger.

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