Neue SZ-Serie: Bier von hier:Vom Feld ins Fass

Neue SZ-Serie: Bier von hier: In Aying wird das bekannteste Bier des Landkreises gebraut.

In Aying wird das bekannteste Bier des Landkreises gebraut.

(Foto: Claus Schunk)

Mit Hopfen und Malz allein ist es nicht getan. Auf die Kunst, aus Wasser Bier zu machen, versteht man sich in der Brauerei Aying seit mehr als hundert Jahren.

Von Michael Morosow

I möcht' gern an Biersee so groß wie der Schliersee, wünschte sich 1970 der Sänger und Jodler Franzl Lang. Leider vergebens, was durchaus schade ist, denn ein Sprung in circa 650 Millionen Liter Bier wäre schon was anderes, als vor einer schlecht eingeschenkten Mass auf dem Oktoberfest zu sitzen. So musste der Musiker weiter sein Bier aus dem Krug trinken, zum Beispiel während seiner legendären Auftritte im nach ihm benannten Jodlerwirt in München, wo das Ayinger seit Jahrzehnten aus den Hähnen läuft.

Man sollte davon ausgehen, dass die Quelle des edlen Gebräus nicht im Norden der urwüchsigen Gemeinde zu verorten war, auch wenn sich hier tatsächlich hinter Gebüsch ein "Biersee" versteckt. Im Volksmund so genannt wird das kleine, seichte Gewässer aber nicht etwa, weil das Ayinger Bräu-Hell an seine Ufer schwappt, sondern die Brauerei einst ihr Spülwasser dort hinein leitete.

Heute beschäftigt das Unternehmen 70 Mitarbeiter

11 Brauereien als Serie

In einer Woche beginnt das größte Bierfest der Welt: das Münchner Oktoberfest. Während auf der Wiesn allerdings nur Bier der bekannten, großen Münchner Brauereien ausgeschenkt wird, gibt es rund um die Stadt etliche kleine Hersteller, deren Entdeckung ebenfalls lohnt: von der Ein-Mann-Brauerei im Keller über die Wirtshausbrauerei und Genossenschaft bis hin zur Craft-Beer-Brauerei. Insgesamt elf verschiedene Marken findet der Bierliebhaber im Landkreis, die überwiegend mehrere Sorten im Angebot haben. Die SZ stellt diese in den kommenden Wochen in einer Serie vor.

Am 2. Februar 1878 schenkte Johann Liebhard, der Gründervater der Brauerei Aying, die erste Halbe Bier aus. Heute beschäftigt das mittelständische Unternehmen 70 Mitarbeiter und braut im Jahr circa 90 000 Hektoliter, was neun Millionen Mass entspricht. Damit ist die von Franz Inselkammer junior geführte Brauerei zwar nur ein Leichtgewicht im Vergleich mit den Bier-Multis Heineken, Carlsberg oder Anheuser-Busch, aber was Erfahrung und Ausstoß anbelangt, steht sie weit über den vielen Kleinbrauereien, die nicht zuletzt im Landkreis München wie Pilze aus dem Boden schießen.

Wie auch immer: Die Kunst, Wasser in Bier zu verwandeln, unterliegt hier wie dort den gleichen Vorgaben, der Brauprozess läuft in Aying nicht viel anders ab als andernorts. Das aus der Gerste gewonnene Malz wird geschrotet und mit Wasser zur Maische vermengt. Durch Abläutern gewinnt man Würze, die dann mit dem Hopfen gekocht wird.

Danach wird Hefe dem Sud zugesetzt, was den Gärungsprozess in Gang bringt, bei dem der Malzzucker in Kohlensäure und Alkohol umgewandelt wird. Ayings Braumeister Hans-Jürgen Iwan versteht offenbar sein Handwerk aufs Beste, jedenfalls räumen die von ihm gebrauten Biere - zwölf Sorten an der Zahl - regelmäßig Preise ab in internationalen Wettbewerben wie dem European Bear Star.

Der alte Bräu, Franz Inselkammer senior, war es, der vor Jahren nach einem Alleinstellungsmerkmal, nach der "richtigen Antwort auf die wachsende Undurchschaubarkeit der deutschen Brauereilandschaft" suchte und fand. Seither lautet das Credo des Bierherstellers: aus der Region, für die Region, in der Region. Und so werden für die Herstellung des Gerstensaftes ausschließlich Produkte aus der näheren Umgebung verwendet, sowohl das Brauwasser als auch der Hopfen, die Gerste, das Malz und die Hefe.

Neue SZ-Serie: Bier von hier: Ayings Braumeister Hans-Jürgen Iwan.

Ayings Braumeister Hans-Jürgen Iwan.

(Foto: Claus Schunk)

In Aying gibt es 13 000 Jahre altes Brauwasser

Besonders stolz ist man in Aying auf sein 13 000 Jahre altes Brauwasser, ein Relikt aus der Eiszeit. "Das Gute aus dem Tertiär", so Brauereidirektor Helmut Erdmann, wird aus zwei je 180 Metern tiefen Brunnen geschöpft und hat, zumal es frei von Verunreinigungen wie etwa durch Nitrate ist, Mineralwasserqualität.

Deshalb wird es nicht nur zum Brauen verwendet, sondern auch abgefüllt und in den Handel gebracht. Mineralien, so Erdmann, seien wichtig für den Gär- und Maischprozess, spielten aber auch geschmacklich eine Rolle. Nachdem es heutzutage nicht mehr so einfach ist, eine Bohrgenehmigung für einen Tiefbrunnen zu bekommen, freut man sich in Aying darüber, dass die Ergiebigkeit des Reservoirs offenbar riesig ist. Bei den regelmäßigen Senkungsmessung sei der Pegel stets unverändert gewesen.

Neue SZ-Serie: Bier von hier: Brauereidirektor Helmut Erdmann.

Brauereidirektor Helmut Erdmann.

(Foto: Claus Schunk)

Der trockene Sommer, der zweite in Folge, hat dagegen spürbare Auswirkungen auf den Ernteertrag bei der Braugerste gehabt. Aus ihr wird Malz hergestellt, wovon die Brauerei jährlich in etwa 2000 Tonnen benötigt. "Die Qualität ist okay, aber der Ertrag ist um 15 bis 20 Prozent eingebrochen", berichtet Landwirt Florian Büchlmeier. Der Taufkirchner ist einer von mehreren Vertragsbauern aus den Landkreisen München und Fürstenfeldbruck, die im Auftrag der Brauerei Gerste anbauen. Er selbst ist mit 150 Tonnen dabei, die auf 20 Hektar Ackerfläche heranwachsen.

Ein kalter Mai und extreme Hitze von bis zu 40 Grad im Juli haben Halmen und Körnern heuer nicht gut getan. Stirbt der grüne Halm ab, ist das Korn von der Nahrungszufuhr abgeschnitten. Büchlmeier holte die Gerste am 25. August vom Feld, weil die Notreife eingetreten war. "Bei der Qualität sind wir mit einem blauen Auge davongekommen", zieht der Landwirt Bilanz. Zwar schrumpfte die Ernte nach Abzug der "kleinen Kerndl", die als Viehfutter verwendet werden, auf 80 Prozent zusammen, aber der Eiweißgehalt und der Vollkornanteil von mehr als 90 Prozent erfüllen die vertraglichen Bestimmungen.

Ein zu hoher Eiweißanteil sei schlecht für die Schaumbildung und die Verarbeitung, sagt Brauereidirektor Erdmann. Preis und Mengen werden in jedem Jahr bereits vor der Aussaat im Februar festgelegt. Orientierung geben die Tagespreise auf dem Weltmarkt und den Deutschen Börsen. Von Vertragsstrafen, wenn Qualität und Mengen nicht passen, hält man im Hause Inselkammer aber nichts. "Wir müssen uns in die Augen schauen können", so Erdmann.

In einem 100 Tonnen fassenden Silo wird die Gerste über den Winter eingelagert und im März oder April von Landwirt Büchlmeier zu einer der drei Mälzereien gefahren, die im Auftrag der Brauerei Aying Gerste zu Malz verarbeitet. Neben den Mälzereien Müller-Malz in Inkofen und Donaumalz in Neuburg an der Donau ist das die Handelsmälzerei Hausladen in Heimstetten, wo das Korn einiges über sich ergehen lassen muss. In dem Kleinbetrieb, der für sieben große Brauerein und eine Reihe kleinerer malzt, werden täglich 15 Tonnen Braugerste auf eine elf Tage dauernde biochemische Reise geschickt.

Auf das Weichen folgt das Keimen

Zunächst wird das Getreide im Weichhaus für mehrere Stunden ins Wasser getaucht, danach belüftet. Dieses Nass- und Trockenweichen hat seinen Sinn, verliert das Korn doch Qualität, wenn es zu schnell aufquillt. Auf das Weichen folgt das Keimen, wobei die aufgequollene Gerste dazu ungefähr eine Woche auf einem 60 Meter langen Fließband, der Keimstraße, unterwegs ist.

Die Kunst des Mälzers besteht dabei unter anderem darin, den Keimvorgang zum richtigen Zeitpunkt zu unterbrechen. Dazu wird die Braugerste in der Darre mit warmer Luft erhitzt, der Wassergehalt im Korn auf diese Weise von mehr als 40 auf maximal fünf Prozent herabgesetzt. Geschäftsführer Florian Meier weiß von der quantitativ schlechten Ernte in diesem Jahr. Aber der Eiweißgehalt sei im gewünscht niedrigen Bereich und auch die Korngröße von mindestens 2,5 Millimeter sei gegeben, sagt er.

Das fertige Malz wird von der Brauerei Aying nach Bedarf angefordert und von der Firma Hausladen geliefert. Erst dann kommt Braumeister Iwan ins Spiel und kommen Hopfen und Hefe zum Einsatz. Den Hopfen würde man in Aying gerne auch selbst anbauen, sagt Brauereidirektor Erdmann, aber der Lehmboden in der Holledau, dem größten Hopfenanbaugebiet der Welt, sei unschlagbar. Seit jeher ordert das Bierunternehmen zwei Sorten: die "Perle" und die Marke "Hallertauer Tradition". Der Preis richtet sich dabei nicht nach dem Gewicht des Hopfens, sondern nach dem der darin enthaltenen Alphasäure, die für die Bitterkeit des Bieres verantwortlich ist.

"Hopfen und Malz, Gott erhalt's!", lautet ein Trinkspruch, der wohl jedem Stammtischbruder bekannt ist. Dass die wichtigste Zutat für Bier jedoch die Hefe ist, ist dagegen vielen nicht bewusst. Nicht von ungefähr wird die Hefe "Geist des Bieres" genannt, ist sie doch verantwortlich für die "Umdrehungen", die der Gerstensaft am Ende hat. Wie viel Promille Alkohol das Bier haben wird, kann der Braumeister dabei exakt bestimmen. Gnädige 4,9 Volumenprozent und 11,8 Prozent Stammwürze hat das Ayinger Bräu-Hell.

Die Hefe bestimmt den Biercharakter

Der Ayinger "Celebrator" dagegen mit 6,7 Volumenprozent Alkohol und 18,5 Prozent Stammwürze sollte besser nicht im Übermaß getrunken werden. Im "Museum of Art" in New York wird der Celebrator vom Fass ausgeschenkt, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass der Doppelbock vom Chicago Beverage Tasting Institute 1995 und 1996 als bestes jemals getestetes Bier bewertet worden ist.

Je nachdem, welches Bier später den Sudkessel verlassen soll, bestellt Iwan bei der Hefebank in Weihenstephan die entsprechende Zuchthefe, den "Stamm 34" für ein untergäriges, den "Stamm 68" für obergäriges Bier. Die Flüssighefe wird in Carlsberg-Kolben geliefert. 25 Liter genügen für 450 Hektoliter Bier.

Sie werden der abgekühlten Würze zugesetzt und setzen sogleich den Gärungsprozess in Gang. 15 bis 20 Millionen Hefezellen pro Milliliter werden in etwa zugegeben, und sie alle arbeiten nun daran, dass das Bier "geistreich" wird. Die Hefe baut bei der Gärung den Malzzucker ab und wandelt ihn in Kohlensäure und Alkohol um. Aber nicht nur das: "Die Hefe bestimmt sehr stark den Biercharakter", erklärt Iwan, der selbst in Weihenstephan die Wissenschaft des Brauens studiert hat. Weißbier zum Beispiel schmecke teilweise "fruchtig-bananig". Hefe wächst unendlich, theoretisch könnte sie jahrelang verwendet werden. Aus Qualitätsgründen wird sie jedoch regelmäßig erneuert, spätestens nach dem sechsten Gärprozess.

Ein Prost also auf Hopfen und Malz und Wasser und Hefe - und auf Franzl Lang, dessen Wunsch nach einem Biersee leider nicht erfüllt wurde. Dem Bräu von Aying kann dieses freilich nur recht sein.

Die nächste Folge der SZ-Serie "Bier von hier" erscheint am Dienstag, 17. September: "Erfolgreiches Himmelfahrtskommando" - das Flugwerk in Feldkirchen.

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