Kommen & Gehen:"Die Musikszene ist in London hart umkämpft"

Sasha Jones hat in München als DJ gearbeitet und nur Beat- und Soul-Musik von Frauen aufgelegt. Für sie ist es eine Form des Feminismus, da die Szene von Männern dominiert wird

Interview von Michael Bremmer, München/London

Im Club wird getanzt, in der Bar wird getrunken. So einfach ist das. Wenn mal in einer Bar trotzdem getanzt wird, dann hängt das häufig mit dem Discjockey zusammen. Zum Beispiel Sasha Jones. Einmal im Monat legte sie im Schwarzen Hahn in der Au auf, und zwar nur Beat- und Soulmusik von Frauen - am Ende tanzten jedes Mal die Gäste in der Punkrock-Kneipe. Jetzt ist Sasha Jones nach London gezogen. Nicht wegen der Musik, sondern wegen ihrer Arbeit als Marktforscherin. Sie habe bereits in New York, Melbourne, Singapur und Jakarta gelebt, sagt sie, "aber wegen der Sprachbarriere war München bislang der schwierigste Ort". Sasha Jones spricht nur Englisch.

SZ: Sie haben in München nur Musik von Frauen aufgelegt.

Sasha Jones: Mein monatlicher DJ-Abend im Schwarzen Hahn hieß "Wanita", was auf Indonesisch Frau bedeutet - ich bin halb Indonesierin und halb Engländerin. Ich habe nur Platten von Bands gespielt, in der nur Frauen spielen oder die zumindest eine Sängerin hatten. Musik aus den Vierzigerjahren bis zu den Neunzigerjahren.

Was war Ihre Motivation?

Ich wollte Frauen in der Musik fördern und weibliche Solidarität zeigen. Und ich wollte als Frau in der Münchner DJ-Szene akzeptiert werden, die stark von Männern dominiert wird. Deswegen habe ich auch häufig andere Frauen zum Auflegen eingeladen. Für mich war das eine Möglichkeit, andere Frauen zu ermutigen, sich stärker in der Münchner Musikszene zu engagieren.

Jetzt leben Sie in London. Wird dort die DJ-Szene ebenfalls von Männern dominiert?

Auch hier sind die meisten DJs Männer.

Aber Sie kommen trotzdem zum Auflegen.

Das schon. Ich lege Musik aus den Sechzigerjahren auf, bei bestehenden Partyreihen wie "Have Love will Travel" oder "Factory de Joie". Aber die Musikszene ist in London hart umkämpft. Es gibt auch nicht so viele Möglichkeiten aufzulegen, nicht so viele Veranstaltungsorte.

Kommen & Gehen

Mit jedem Menschen, der zuzieht, verändert sich die Stadt. Und auch mit jedem Menschen, der München verlässt, verliert die Stadt ein Stück Identität. Wir stellen sie vor.

Das heißt, Sie haben noch keinen eigenen DJ-Abend in London.

Der Plan ist schon, irgendwann einmal auch in London einen Wanita-Abend zu organisieren. Aber ich habe noch keinen Club gefunden, in dem ich das machen kann.

Ich hätte gedacht, das wäre in einer Großstadt wie London einfacher.

Wie ich bereits erwähnte, ist die Musikszene hier härter umkämpft als in München. Natürlich, die Stadt ist größer. Aber deswegen gibt es hier auch viel mehr weibliche DJs, die eine ähnliche Musik auflegen wie ich, Musik aus den Sechzigerjahren, Rhythm & Blues, Soul, Garage, Beat, Punk. Da fällt es schwer, aufzufallen und etwas Ungewöhnliches anzubieten. Zudem gibt es auch in London eine Szene, in die man nicht so schnell reinkommt. Hier muss man eingeladen werden, um auflegen zu dürfen.

Wie in München also. Was hat Ihr neuer Wohnort, was München nicht hat?

Einen Arbeitsplatz. Um in München als Marktforscherin arbeiten zu können, hätte ich fließend Deutsch sprechen und schreiben können müssen. Deswegen der Umzug. Da in London aber mein Bruder und enge Freunde wohnen, ist es dort vertrauter als in München.

Was nehmen Sie aus München mit ?

Ich habe in München gelernt, mit Belastungen umzugehen. Auch weiß ich jetzt, wie wichtig es ist, Menschen um sich zu haben, die einen unterstützen. Ich bin im September 2017 nach München gezogen. Einen Monat später ist meine Mutter gestorben, und ich verbrachte einige Zeit bei meinem Vater in Indonesien. Die Trauer beeinflusste auch meinen Alltag hier in München. Ich lebte in dieser wunderschönen Stadt, hatte aber Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Ich versuchte Deutsch zu lernen, arbeitete als DJ, um Geld zu verdienen und Kontakte zu knüpfen, und bewarb mich um Jobs in meinem Fachgebiet. Nach eineinhalb Jahren waren meine Ersparnisse aufgebraucht, meine seelische Gesundheit verschlechterte sich und ich beschloss, nach London zurückzukehren.

Was werden Sie an München vermissen?

Zwei Dinge an München fehlen mir am meisten: Vor allem die Freunde, die ich während meiner Zeit in München gewonnen habe. Ich habe hier eine Gruppe großartiger, freundlicher und inspirierender Frauen kennengelernt, von denen ich weiß, dass sie Freundinnen fürs Leben sein werden. Zum anderen vermisse ich Münchens fantastische Kulturangebote, die Märkte und die Architektur. Und natürlich die großartigen Sommer, das Schwimmen in der Isar und das Radfahren im wunderschönen Englischen Garten. Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass die Lebensqualität in München höher ist als in London.

Kommen & Gehen: Einmal im Monat legte Sasha Jones im Schwarzen Hahn auf. Jetzt muss man nach London fahren, um ihre Musik zu hören.

Einmal im Monat legte Sasha Jones im Schwarzen Hahn auf. Jetzt muss man nach London fahren, um ihre Musik zu hören.

(Foto: Privat)

Drei Gründe, warum Sie froh sind, nicht mehr in München zu leben ...

Ich habe jetzt einen Arbeitsplatz. Meine seelische Gesundheit hat sich seit meinem Umzug enorm verbessert. Und ich muss mich nicht mehr mit mürrischen Mitarbeitern bei der Deutschen Post herumschlagen (sie lacht).

Was werden Sie als erstes tun, wenn Sie zu Besuch in München sind?

Meine Freunde treffen, in den Schwarzen Hahn gehen, meine Lieblingskneipe in München. In der Isar schwimmen und am Fluss entlang radeln.

Was sind Ihre Lieblingsfotomotive von München, die Sie sicher nicht von Ihrer Kamera löschen werden?

Fotos von der Isar.

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