40 Jahre Grüne im Landkreis:Von der Hinterhofgarage in den Mainstream

Am 18. September 1979 wurde in Haar der Kreisverband der Grünen gegründet. Der erste Vorstand war stark von Männern geprägt - und das ist nicht das einzige, was sich in den vergangenen vier Jahrzehnten geändert hat.

Von Martin Mühlfenzl, Haar

Während sich die "ökologisch Gesinnten", wie es im Gründungsdokument des Kreisverbands der Grünen im Landkreis München heißt, im Jahnheim in Haar treffen, ist Italiens Staatspräsident Sandro Pertini gerade auf Staatsbesuch in Bonn. Der Ligure Pertini trifft in der Bundeshauptstadt auf einen Bundeskanzler namens Helmut Schmidt - ein Sozialdemokrat. Mitglied einer Partei also, der die Grünen 40 Jahre nach ihrer Gründung im Landkreis München bei der Kommunalwahl am 15. März kommenden Jahres den Rang ablaufen könnten. So sieht zumindest der Plan des Kreisverbands aus. Doch vorher wird gefeiert.

Der 18. September 1979 ist ein Dienstag. Im Jahnheim wird der Ottobrunner Dietrich Schwägerl zum ersten Vorsitzenden gewählt, Heinz Kerschner aus Haar und Georg Lindworsky werden seine Stellvertreter. Acht von zehn Mitgliedern des Vorstands samt Kassenprüfern sind Männer. Das wäre in einer Partei, die sich heute ihrer Gleichbehandlung der Geschlechter rühmt und die Kreistagsliste im Reißverschlussverfahren paritätisch mit Frauen und Männern besetzt, nicht mehr möglich.

Landtagswahl Bayern - Grüne

Toni Hofreiter (rechts mit Robert Habeck nach der Landtagswahl 2018) ist das Aushängeschild des Kreisverbands.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

An diesem Mittwoch werden die beiden Co-Vorsitzenden Sabine Pilsinger und Volker Leib um 19.30 Uhr im Einstein Kultur in der Einsteinstraße 2 in München die Geburtstagsparty zum 40-jährigen Bestehen des Kreisverbands eröffnen. Und sie werden dann sicher auch über eine Entwicklung berichten, wie sie schon die Gründungsmitglieder vor genau 40 Jahren erfreute. Die "grüne Idee", heißt es im Gründungsdokument, komme vor allem bei jungen Teilnehmern an; und die Mitgliederzahl sei schon beträchtlich angestiegen.

Das sehr grüne Gewissen der Partei

40 Jahre Grüne im Landkreis: 1997 waren bereits einige der heutigen Protagonisten dabei: Markus Büchler (ganz links), Christoph Nadler (ganz rechts) und Susanna Tausendfreund (vorne in der Mitte).

1997 waren bereits einige der heutigen Protagonisten dabei: Markus Büchler (ganz links), Christoph Nadler (ganz rechts) und Susanna Tausendfreund (vorne in der Mitte).

(Foto: Claus Schunk)

Einer dieser jungen aus der Anfangszeit ist heute das Aushängeschild des Kreisverbands: Mit 14 Jahren, erzählt Anton Hofreiter gerne, sei er erstmals mit den Grünen in Kontakt gekommen, bei einer Veranstaltung über Atomkraft. Zwei Jahre später, 1986, trat der Sauerlacher der Partei bei und legte eine erstaunliche Karriere hin. Er war Sprecher des Sauerlacher Ortsverbands, von 1996 bis 2006 Chef des Kreisverbands, lange Zeit Kreis- und Gemeinderat. Heute ist der "Toni" Fraktionschef der Grünen im Bundestag und noch immer so etwas wie das sehr grüne Gewissen seiner Partei.

Und er ist qua Funktion und Gewicht auch Ausdruck der Bedeutung eines sehr gewichtigen Kreisverbands: Mehr als 600 Mitglieder haben die Grünen im Landkreis mittlerweile, in Markus Büchler und Claudia Köhler sitzen zwei Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis im Maximilianeum, Susanna Tausendfreund ist seit 2014 in Pullach die erste Bürgermeisterin der Grünen. Die Partei ist präsent. Am Anfang war das noch ein wenig anders. "Wir haben uns in München an der Baumstraße in einer Hinterhofgarage getroffen", erzählt Christoph Nadler, Fraktionschef im Kreistag und erneut Landratskandidat seiner Partei.

"Zum Glück war daneben ein Grieche, der war gut für die Nachbesprechungen." Die Partei habe sich verändert, aber auch die politische Landschaft, sagt Nadler. "Früher war alles konfrontativer, vor der Wiedervereinigung, kurz nach Studentenunruhen und rund um den Nato-Doppelbeschluss." Die Spaltung habe sich auch in der Arbeit auf kommunaler Ebene widergespiegelt. Hofreiter sagt, die Auseinandersetzungen seien extrem hart gewesen. Und auch Fake News habe es schon gegeben: Die Befürworter der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf hätten ja auch gesagt, das Projekt sei harmlos wie "eine Fahrradspeichenfabrik".

Die Zeit aber war offenbar schon bereit für eine ökologische Bewegung. Vier Kreistagsmandate sichern sich die Grünen erstmals bei der Kommunalwahl im Jahr 1984 und seitdem geht es kontinuierlich bergauf; elf Kreisräte sind es seit 2014. Die Partei ist in allen 29 Städten und Gemeinden des Landkreises mit Ortsverbänden präsent. Mit den größten Anteil am Erfolg im Landkreis München, sagt Fraktionssprecher Nadler, habe Susanna Tausendfreund. Die Pullacherin ist trotz ihrer Zugehörigkeit zum Landtag für zwei Legislaturperioden der Kommunalpolitik immer treu geblieben - als Gemeinde- und Kreisrätin, stellvertretende Landrätin sowie Vorkämpferin für ihre Partei. In der Festschrift der Grünen erinnert sich Tausendfreund an die Anfangszeit, als Grüne noch als "fünfte Kolonne Moskaus" und Ökospinner bezeichnet worden seien, als "Überbleibsel der Hippiegeneration".

Das Image hat sich grundlegend gewandelt

Das Image habe sich allerdings grundsätzlich gewandelt, sagt Christoph Nadler. "Viele unserer Leute sind stark in ihren Gemeinden und Städten verwurzelt, sind in Vereinen und Feuerwehren und bringen sich ganz gezielt thematisch ein. Früher hatten wir eher das große Ganze im Blick und haben dann Resolutionen gegen den Nato-Doppelbeschluss verfasst."

Im bald 41. Jahr ihres Bestehens, im kommenden März, wollen die Grünen dann zum großen Wurf ausholen: Zweitstärkste Kraft im Kreistag nach der CSU - dieses Ziel hat die Partei ganz klar formuliert. Der Landkreis München sei dabei für die Partei natürlich "ein gutes Pflaster", sagt Nadler, mit seiner Bevölkerungsstruktur, der Bevölkerungsdichte, viel Wohlstand. Aber wie am 19. September 1979 gehe es zuvorderst immer um Themen.

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