Familientrio:Hilfe, der Sohn klaut

Ihr fünfjähriger Sohn nimmt Geld von ihrem Nachttisch und behauptet, es gefunden zu haben, erzählt eine Mutter. Dann kaufe er sich damit Süßigkeiten. Was tun?

Mein Sohn (5) sagt zuletzt öfter, er habe Geld auf der Straße "gefunden". Er geht dann Kaugummi kaufen. Jetzt kam er mit einem Großeinkauf vom Kiosk. Auf meinem Nachttisch fehlten zwölf Euro. Ich habe mit ihm geschimpft, er erhält Medienverbot. Aber meine moralischen Argumente (Vertrauensbruch, Enttäuschung, Traurigkeit) perlen an ihm ab. Wie kann ich das Gewissen in ihm wecken? Sonja G. aus Mexiko Stadt.

Familientrio: Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit zwei Töchtern, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Kirsten Fuchs ist Schriftstellerin und lebt mit zwei Töchtern, Mann und Hund in Berlin. Sie schreibt vor allem Kurzgeschichten und Romane, aber auch Theaterstücke sowie Kinder- und Jugendbücher. Ihr Buch "Mädchenmeute" erhielt 2016 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

(Foto: Stefanie Fiebrig)

Kirsten Fuchs:

Leider hat sich sein Verhalten ja schon für ihn gelohnt. Das ist schade. So hat er ja schon falsches Verhalten gelernt. Andererseits glaube ich, dass er mit fünf noch nicht geschäftsfähig ist, und dann müsste der Ladenbesitzern den Großeinkauf eventuell zurücknehmen. Medienverbot finde ich nicht die passende Strafe. Und Ihre moralische Argumente scheint er noch nicht richtig nachvollziehen zu können. Ich würde ihm einen kindgerechten Vergleich geben: "Wie würdest du dich fühlen, wenn jemand ein Bild, dass du gemalt hast, wegnimmt oder zerstört?" Bekommt er denn schon Taschengeld? Geld scheint für ihn ja eine große Rolle zu spielen, ebenso Süßigkeiten. Also könnte ein Taschengeld gut sein, um den richtigen Umgang mit beidem zu üben. Er könnte sich sogar was dazuverdienen (Brötchen für Nachbarn holen oder anderer kleine Botengänge). Vielleicht muss er mehr die Gelegenheit haben, selbst etwas zu schaffen und braucht Verantwortung, damit er an diesem Einkaufsding teilnehmen kann.

Familientrio: Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg.

Herbert Renz-Polster ist Kinderarzt, Wissenschaftler und Autor von Erziehungsratgebern und des Blogs "Kinder verstehen". Er hat vier erwachsene Kinder und lebt mit Frau und jüngstem Kind in Ravensburg.

(Foto: Random House)

Herbert Renz-Polster:

FÜNF ist dieser Kleinkriminelle, fünf Jahre alt! Ich war in der zweiten oder dritten Klasse als wir vor dem Kiosk neben der Grundschule munter Süßwaren in der Clique verteilten - zumindest bei meinem Zwillingsbruder und mir vom Geld meines Vaters gekauft (nein, wir haben das nicht "gefunden", sondern aus seiner Geldbörse geklaut). Was bin ich froh, dass er uns nicht erwischt hat! Denn erstens haben wir mit dem Diebesgut Teilen geübt. Vor allem aber hätte es nicht einmal meinen Bruder zu einem besseren Menschen gemacht (der war von uns beiden immer der Schneller-Checker). Warum nicht? Weil Moral nicht durch Ansagen von oben oder rationale Argumente entsteht. Sondern von unten, auf langsamen Trampelpfaden. Vorwärts kommen die Kinder, die nicht schon deshalb zur Lüge greifen müssen, weil die Kosten der Wahrheit so verdammt teuer sind (zu Tode enttäuschte Eltern, Medienverbot usw.). Nein, mit kleinen Dieben kann man REDEN ohne die Moralkeule in der Hand, mit denen kann man REGELN finden, die sie selber umso länger mittragen, je gütiger der Richter und je vertrauter die Beziehung zu den Eltern ist. Und genau das ist unsere "Werteerziehung": dass wir unseren Familiengarten gut bestellen. Moral, "Werte" und die anderen Grenzen drumrum ergeben sich dann von selber - weil sie etwas Wertvolles schützen.

Collien Ulmen-Fernandez

Collien Ulmen-Fernandes ist Schauspielerin und Moderatorin. Die Mutter einer Tochter hat mehrere Texte zum Thema Elternsein veröffentlicht, 2014 erschien von ihr das Buch "Ich bin dann mal Mama".

(Foto: Anatol Kotte)

Collien Ulmen-Fernandes:

Wichtig ist, dass Ihr Kind nachvollzieht, was ein Vertrauensbruch im Gegenüber so auslösen kann. Diese Enttäuschung sollten Sie ihm sehr deutlich machen und unterstreichen, dass nicht jeder Mensch, dem es begegnet, so schnell verzeihen wird, weil nicht jeder Mensch seine Mutter ist. Dass Freundschaften kaputt gehen können, wegen einer bescheuerten Summe von zwölf Euro - oder nur 50 Cent. Spontan kam mir die Idee, dass Sie ihm zu Demonstrationszwecken ebenfalls mal was klauen könnten, aber bitte vergessen Sie diesen spontanen Racheansatz wieder. Ich ticke manchmal etwas alttestamentlich.

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