Maxvorstadt:Verkehrsentwicklung im Schneckentempo

Maxvorstadt: Ein ausgefeiltes Konzept ist das wohl eher nicht: In der Türkenstraße dürfen Radler derzeit auf dem Gehweg in die entgegengestzte Richtung fahren.

Ein ausgefeiltes Konzept ist das wohl eher nicht: In der Türkenstraße dürfen Radler derzeit auf dem Gehweg in die entgegengestzte Richtung fahren.

(Foto: Stephan Rumpf)

Nach mehr als 30 Jahren Diskussion hätte das Konzept für das Kunstareal endlich umgesetzt werden sollen, nun durchkreuzt das Radbegehren die Vorhaben. Das Planungsreferat muss neue Ideen erarbeiten - das kann dauern

Von Stefan Mühleisen und Andreas Schubert

Seit Jahrzehnten wird diskutiert und geplant, wie das sogenannte Kunstareal in der Maxvorstadt fußgänger- und radfahrerfreundlicher gestaltet werden kann. 2015 hatte der Stadtrat beschlossen, das Verkehrskonzept zu ändern, um den Autoverkehr einerseits zu entzerren, andererseits langsamer zu machen. Dieses Konzept ist seit Dienstag offenbar wieder vom Tisch. Der Bauausschuss sollte eigentlich den Baubeginn absegnen, hat die Entscheidung aber in die nächste Vollversammlung im Oktober vertagt. Der Grund: Die Planungen sind mit den Zielen des Bürgerbegehrens Radentscheid nicht vereinbar - und der Stadtrat hat diese Ziele übernommen. Nun könnte es sein, dass sich die Planung weitere Jahre hinzieht.

Eine rot-grüne Mehrheit würde damit den Beschluss einer rot-grünen Mehrheit wieder kassieren. Was sich wie ein klassischer Widerspruch anhört, kommentiert Sabine Krieger von den Grünen so: "Die Bedingungen haben sich eben geändert." Bekanntermaßen sollten die bestehenden Einbahnstraßen in Türken-, Theresien- und Gabelsbergerstraße teilweise aufgehoben werden. Etwa 15 Prozent Verkehrsentlastung hätte dies nach Berechnungen des Planungsreferats gebracht. Doch das Problem dabei ist, dass für Radfahrer bei einer Verkehrsführung in zwei Richtungen auf den betroffenen Abschnitten auf der Gabelsbergerstraße zwischen Türken- und Arcisstraße sowie auf der Theresienstraße zwischen Türken- und Luisenstraße nur wenig Platz für Radfahrer geblieben wäre. Zumindest nicht so viel, wie es etwa 80 000 Unterzeichnern des Bürgerbegehrens Radentscheid vorschweben würde.

Dieses fordert explizit mindestens 2,30 Meter breite Radstreifen plus 50 Zentimeter breite Sicherheitsstreifen. Und dafür wäre an einigen Stellen schlicht kein Platz, selbst mit dem Wegfall von Parkplätzen. So könnte es darauf hinauslaufen, dass die Einbahnregelungen - nach Osten in der Gabelsberger- und nach Westen in der Theresienstraße - erhalten bleiben. Nur mit weniger Autospuren, dafür mit breiten Radwegen. Damit rechnet auch Sabine Krieger, nur hofft sie, dass eine mögliche Umplanung nicht noch weitere Jahre dauert. Dem schließt sich auch die SPD an. Noch am Dienstag teilte die Fraktion mit, die Verwaltung solle nun prüfen, wie das Verkehrskonzept geändert werden muss, um den Vorgaben des Radentscheids zu genügen. Einen entsprechenden Antrag bringe die Fraktion in der Vollversammlung ein. Wie ein neues Konzept aussehen könnte, will SPD-Fraktionschef Alexander Reissl den Planern in der Stadtverwaltung überlassen. "Wir wollen da nichts vorweg nehmen", sagt er. Reissl hofft ebenfalls, dass sich das Projekt nicht wieder in die Länge zieht. "Es kann und darf nicht wieder Jahrzehnte dauern", sagt er. Das Thema werde schließlich schon seit den Achtzigerjahren diskutiert. Man müsse sich eben nun den Herausforderungen stellen, die der Radentscheid mit sich gebracht habe. Was das Votum der Münchner noch für Auswirkungen haben wird, werde man sehen, wenn es um Straßen geht, die noch schmäler sind als zum Beispiel die Theresienstraße.

Für Reissl steht jedenfalls fest, dass der Stadtrat die Bürgerbeteiligung, mit der das Konzept für das Viertel um die Pinakotheken erstellt wurde, nicht einfach "handstreichartig" vom Tisch wischen dürfe. Man müsse nun abwarten, welche neuen Vorschläge das Planungsreferat macht, dann brauche es eine neue Bürgerbeteiligung. "Das wird sicher nicht in ein paar Wochen erledigt sein."

Für Manuel Pretzl, Zweiter Bürgermeister und Fraktionschef der CSU im Stadtrat, zeigt das Hin und Her beim Kunstareal das Grundproblem auf, dass eine Verkehrsplanung aus einem Guss fehle. "Man darf nicht immer so tun, als würde alles gehen", sagt er. Die CSU hatte seinerzeit die Umwidmung der Einbahnstraßen abgelehnt und ist auch immer noch dagegen. "Aus unserer Sicht könnte alles so bleiben, wie es ist", sagt Pretzl. Aber die Münchner hätten nun mal für das Radbegehren gestimmt.

Eine Planung aus einem Guss müsste allerdings die seit langem hin- und hergewälzten Konzepte für das Kunstareal in den Blick nehmen - also all die Ideen für das Großprojekt, die auf 66 Hektar verstreuten Museumsinstitutionen zu einem topografisch vernetzten Kunst-Verbund zu entwickeln. Doch das Projekt kommt kaum voran. Die Straßenschneisen zergliedern das Gebiet - und verhindern ein konsistentes Ganzes. Es bräuchte ein zusammenhängendes Gepräge, wofür auch schon Planstudien vorliegen. Etwa für einen "Kunstboulevard Arcisstraße" als verkehrsberuhigte Erschließungsachse. Das Planungsreferat hatte erst im Juni große Zuneigung hierfür signalisiert. Dazu existiert längst ein "Masterplan Freiflächengestaltung Kunstareal", angeleiert von Ex-Kunstminister Ludwig Spaenle (CSU). Das Papier empfiehlt, alle Straßenräume "qualitativ aufzuwerten", damit diese "zum verbindenden Element" werden.

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