Kriminalität:Spezialisten gegen Hetzer im Netz

In Hessen wird bald die bisher größte Spezial-Staatsanwalt­schaft gegen strafbare Online-Hetzer ihre Arbeit aufnehmen. Die Cyber-Ermittler arbeiten mit Opferschützern zusammen.

Von Max Hoppenstedt

"Stück Scheiße", "altes grünes Dreckschwein", "Sondermüll": Wenn es nach dem Berliner Landgericht geht, sind solche Facebook-Kommentare nicht verboten, sondern "haarscharf an der Grenze des noch Hinnehmbaren". So steht es in einem aktuellen Gerichtsbeschluss nach einem Verfahren, in dem Renate Künast gegen Facebook geklagt hatte. Der Grünen-Politikerin wurde in einem Facebook-Post einer rechten Seite ein verfälschtes Zitat angedichtet, unter dem sie dann massiv beschimpft wurde. Der Fall zeigt, dass es noch immer vorkommt, dass deutsche Gerichte auch brutal und aggressiv klingende Äußerungen im Netz nicht ahnden. Zugleich unternimmt die Justiz in den letzten Monaten immer mehr, um die Entscheidung, was online gepostet werden darf und was nicht, nicht mehr weitgehend den Social-Media-Konzernen zu überlassen

Die hessische Regierung will Beleidigung zum Offizialdelikt machen

In Hessen tut sich besonders viel. Dort wird bald die bisher größte Spezialstaatsanwaltschaft gegen strafbare Online-Hetze ihre Arbeit aufnehmen. Die Ermittler sollen Beiträge mit strafbaren Inhalten wie Beleidigung, Volksverhetzung, verfassungsfeindlichen Symbolen oder Holocaustleugnung verfolgen. Vor allem sollen strafbare Beiträge nicht nur wie bisher gelöscht werden - es sollen auch die Verfasser vor Gericht gebracht werden. Die neuen Staatsanwälte werden Teil der hessischen Cybercrime-Ermittlereinheit ZIT. Die ist tätig in Fällen schwerer Internetkriminalität wie organisiertem Drogenhandel oder Kinderpornografie. Bereits heute arbeiten rund ein Dutzend Staatsanwälte an der ZIT. Aus Justizkreisen heißt es, dass man für das neue Dezernat gegen strafbare Hetze mit einer erheblichen Aufstockung rechnet. Die neue Ermittlereinheit ist Teil eines Pakets, das die hessische Regierung am Donnerstag vorgestellt hat.

Das Besondere an der neuen Initiative: Erstmals arbeiten Online-Ermittler für ihre Strafverfolgung direkt mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Opfer von Hetze unterstützen. Die Organisationen können in einem speziellen Meldeverfahren Beiträge, die sie für strafbar halten, direkt an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Das Verfahren dürfte dafür sorgen, dass sehr viele Posts bei der Staatsanwaltschaft landen. In Deutschland gibt es mehrere Organisationen, die zum Teil jahrelange Erfahrung in der Beobachtung strafbarer Hassbeiträge in sozialen Netzwerken haben. Solche Organisationen wollen die Ermittler für eine Zusammenarbeit gewinnen und ihnen einen privilegierten Kanal zur Verfügung stellen. Auch Medienunternehmen sollen Posts bei der Staatsanwaltschaft anzeigen können. Die Ermittler werden nicht nur Posts von Nutzern aus Hessen, sondern alle gemeldeten Inhalte prüfen.

In Justizkreisen denkt man auch über Gefährderansprachen von Nutzern nach, wenn diese den Spezialermittlern immer wieder mit fragwürdigen Posts auffallen. Bei solchen Ansprachen würde die Polizei zu Hause klingeln und die Nutzer darüber aufklären, dass sie im Visier der Justiz sind. Das Mittel soll gerade gegen Hetzer effizient sein, die Posts bewusst so formulieren, dass sie sich knapp unter der Grenze des Strafbaren bewegen. Dieses Phänomen beobachten Hate-Speech-Experten vermehrt bei "unverbesserlichen" Hetzern als Reaktion auf stärkeren Ermittlungsdruck. Als weiterer Teil der Initiative gegen Online-Hetze will Hessen im Bundesrat eine Gesetzesverschärfung vorschlagen: Beleidigung soll zum Offizialdelikt werden. Als solches könnte sie verfolgt werden, auch wenn ein Opfer selbst die Beleidigung nicht anzeigt.

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